Hochseilgärten: Sicherheit, Versicherung und Trends (Interview)

Seit den 1990er Jahren eröffnen immer mehr Hochseilgärten in Europa, auch in Deutschland. Im Interview mit Stadionwelt spricht die Präsidentin des europäischen Hochseilgarten-Verbandes ERCA, Ulrike Mai, über die Themen Sicherheit, Versicherung und aktuelle Trends.

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Ulrike Mai
Ulrike Mai
Sportplatzwelt: Was sind Ihre Aufgaben als Verband?
Mai: Die European Ropes Course Association, kurz ERCA, repräsentiert europäische Firmen sowie deren Mitarbeitende Seilgartenbauer und Organisationen, die temporäre, mobile und stationäre Seilgärten betreiben. Seit 20 Jahren organisieren sich Seilgarten-Anbieter und professionelle Seilgarten-Dienstleister im europäischen Dachverband ERCA, um Wissen zum Bau und zur Inspektion der Anlagen sowie zur Ausbildung der Betreuer und Retter und zum Betrieb auszutauschen, auf aktuellem Stand zu halten und stetig zu verbessern. Der Verband hält ein Ausbildungssystem für Betreuer und Retter sowie für Seilgarten-Inspekteure vor und zertifiziert diese. Neben der europäischen Norm für Seilgärten definiert der Verband weitere Standards zu Bau, Inspektion, Betrieb und Ausbildung und richtet seine Arbeit nach den Ethikstandards des Verbandes aus. Diese Ethikstandards sind durch die universellen Deklaration der Menschenrechte begründet. Sicherheit ist ein wichtiger Faktor bei den Hochseilgärten.

Sportplatzwelt: Was gilt es hier zu beachten?
Mai: Um eine größtmögliche Sicherheit für Gäste und Mitarbeitende in Seilgärten zu gewährleisten, ist die Einhaltung der landesüblichen gesetzlichen Rahmenbedingungen, z. B. das Baurecht sowie der europäischen Bau- und Betriebsnormen – DIN ISO 15567 Teil 1 + 2 – sowie der Standards des europäischen Dachverbands ERCA, die notwendige Grundlage.

Sportplatzwelt: Welche Zertifikate bieten Sie an?
Mai: Die ERCA hat ein differenziertes Ausbildungssystem und bietet unterschiedliche zertifizierte Ausbildungen an, die von unseren Ausbildungsstellen durchgeführt werden. Diese Ausbildungen entsprechen den geforderten Standards und Normen und bieten ein hohes Maß an Ausbildungsqualität. Anerkannte Seilgartenerbauer, die auf Grundlage der EN-Norm für Seilgärten bauen, schließen den Bau in der Regel mit einer Erstabnahme durch eine Inspektionsstelle ab. Für die weitere Anlagensicherheit sorgen die jährliche Inspektionen von ERCA-zertifizierten Inspektionsstellen.

Sportplatzwelt: Auch Versicherungen sind ein wichtiges Thema. Worauf ist zu achten?
Mai: Wir können natürlich keine Empfehlungen für Versicherungsunternehmen aussprechen. Mindestens sollte ein Betreiber eine Haftpflichtversicherung abschließen und sich um die gesetzlich geregelte Versicherung seiner Mitarbeitenden kümmern. Dabei ist zu beachten, dass die versicherten Risiken eindeutig beschrieben und im Tätigkeitsprogramm in der Police aufgenommen/beschrieben sind.

Sportplatzwelt: Was sind für Sie die Grundlagen, um eine Anlage wirtschaftlich zu betreiben?
Mai: Jeder Seilgarten-Betreiber muss Standort-Faktoren, wie allgemeine Attraktivität und Einzugsgebiet, mit Bau- und folgenden Unterhaltungskosten, Ausrüstungs- und sonstige Sachkosten sowie Personalkosten miteinander in Einklang bringen. Dafür sind sicher auch solide betriebswirtschaftliche Kenntnisse erforderlich. Die Wirtschaftlichkeit einer Anlage kann immer nur konkret und für den Einzelfall eingeschätzt werden; das ist Sache der Betreiber. Klar ist aus Verbandssicht, dass in keinem Fall an der Sicherheit, von Bau, Ausrüstung, Betrieb und Personaleinsatz, gespart werden kann.

Sportplatzwelt: Welche Waldstücke eigenen sich am besten für solche Anlagen?
Mai: Generell solche, die nach Begutachtung durch Baumsachverständige als gesund und für eine Nutzung geeignet bewertet wurden.

Sportplatzwelt: Wie lange dauert in der Regel der Bau eines solchen Parks?
Mai: Je nach Größe kann das zwischen zwei Wochen und ca. drei Monaten dauern; in Einzelfällen, z. B. in einem stillgelegtem Bergwerk, auch ein Jahr.

Sportplatzwelt: Wie viele Anlagen gibt es in Deutschland und europaweit?
Mai: Nach Schätzungen der ERCA gibt es in Deutschland über 500 Seilgärten. In Europa schätzen wir die Anzahl auf etwa 4000. In Deutschland 500, Frankreich 500-600, in England 1.000.

Sportplatzwelt: Können Sie einschätzen, wie sich Besucherzahlen entwickelt haben?
Mai: Mit Entwicklung der freizeitorientierten Kletterwälder und Abenteuerparks haben sich die Besucherzahlen auf jeden Fall deutlich gesteigert. Aber über verlässliche Zahlen verfügen derzeit nicht. Die Besucherzahlen in Deutschland, England, Niederlande und Frankreich dürften im Bereich von mehreren Millionen pro Jahr liegen.

Sportplatzwelt: Welche Trends haben Sie in den vergangenen Jahren ausgemacht?
Mai: Neben der ursprünglichen Nutzung von Seilgärten, die früher hauptsächlich im Zusammenhang mit Teamtrainings, pädagogischen Programmen für Schulen und zum Kompetenztraining genutzt wurden, hat sich die Sparte der sportlich-freizeitorientierten Kletterwälder und Abenteuerparks fest etabliert. Die Installation von Seilgarten-Elementen an ungewöhnlichen Orten wie z. B. in Bergwerken oder Industriedenkmälern ist ebenso zu finden wie Seilrutschen-Parks mit sehr langen Seilrutschen oder Seilgärten auf Kreuzfahrtschiffen.

Sportplatzwelt: Wie sieht Ihrer Einschätzung nach der Hochseilgarten der Zukunft aus?
Mai: Es gibt keine eindeutige Tendenz. In den letzten Jahren wurde immer größer, und höher, mit immer spektakuläreren Attraktionen gebaut. Inzwischen werden auch andere Kriterien – z. B. Naturnähe, nachhaltige und baumschonende Bauweise – konsequenter berücksichtigt. Dazu kommt die Verwendung von neuen Materialien, z. B. reine Stahlbauten und der Bau an ungewöhnlichen Orten wie Industriebauten oder Schiffe. Außerdem rücken die sogenannten Traditionellen Seilgärten mit pädagogisch orientierten Gruppenprogrammen wieder mehr in den Blick der Betreiber und auch der Gäste.

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