Das Sportamt Stuttgart im Porträt

Sport und Bewegung sind elementar für Gesundheit und Gesellschaft – gerade in Zeiten von Corona. Neben dem Abbau des Sanierungsstaus steht vor allem die Schaffung urbaner Bewegungsräume auf der Agenda des Stuttgarter Amts für Sport und Bewegung.

„Stuttgart ist eine Sportstadt“ – Im Interview spricht Daniela Klein, Leiterin des Amts für Sport und Bewegung der Stadt Stuttgart, über aktuelle Trendthemen und die besonderen Herausforderungen der Corona-Krise.

Seit Jahresbeginn leitet Daniela Klein das Amt für Sport und Bewegung der Stadt Stuttgart. Mit ihrem Amtsantritt endete die 41-jährige Ära ihres Vorgängers Günther Kuhnigk. Die Herausforderungen im ersten Amtsjahr könnten dabei vielfältiger kaum sein: Neben dem klassischen Bauchschmerzthema „Sanierungsstau“ stehen vor allem die Schaffung urbaner Bewegungsräume und –angebote auf der Agenda des Amts für Sport und Bewegung – und das alles vor dem Hintergrund der anhaltenden Corona-Pandemie, deren Auswirkungen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor nie dagewesene Herausforderungen stellen. Dabei weiß Klein stets ein starkes Team in ihrem Rücken, mit Hilfe dessen sie die Früchte der Arbeit ihres Vorgängers weiter reifen lassen möchte: „Mein Vorgänger Günther Kunigk hat mir ein gut aufgestelltes Team und eine nachhaltig etablierte Sportförderung hinterlassen.

Das GAZi-Stadion auf der Waldau, Heimat der Stuttgarter Kickers, wird durch das Amt für Sport und Bewegung betrieben.
Das GAZi-Stadion auf der Waldau, Heimat der Stuttgarter Kickers, wird durch das Amt für Sport und Bewegung betrieben. Bild: Landeshauptstadt Stuttgart/Ferdinando Iannone

Beides möchte ich gerne erhalten und weiterentwickeln.“ Aktuell arbeiten im Amt für Sport und Bewegung 72 Mitarbeiter, 18 Saisonarbeitskräfte sind in den Betrieb der beiden Stuttgarter Eishallen involviert. „Natürlich gibt es immer Bereiche, in denen wir uns mehr personelle Ressourcen wünschen würden“, so Klein. „Allerdings hat der Gemeinderat in den letzten Jahren zu den unterschiedlichen Schwerpunkten immer wieder auch die personellen Ressourcen bereitgestellt, sodass ich sagen kann, dass wir insgesamt gut aufgestellt sind.“

Bild: Landeshauptstadt Stuttgart
Die anhaltende Corona-Pandemie hält ganz Deutschland und somit auch die Stadt Stuttgart weiter in Atem. Deutschlandweit sehen sich Sportvereine – egal ob aus dem Breiten- oder Profisport – vor enorme finanzielle Probleme gestellt, die es meist nur durch finanzielle Unterstützung seitens der Politik zu bewältigen sind. Neben der Schaffung innovativer Online-Angebote wie der Aktion „sport@home“ (mehr dazu im Interview) stand deshalb vor allem die finanzielle Unterstützung der städtischen Sportvereine ganz weit oben auf der Prioritätenliste. Die Amtsleiterin:„Wichtig und richtig war neben der ideellen Unterstützung der Beschluss des Stuttgarter Gemeinderats, sowohl strukturelle als auch existenzielle Hilfen in Höhe von insgesamt 2 Mio. Euro für in der Corona-Krise besonders hart getroffene Stuttgarter Sportvereine und Bundesligisten aller Sportarten zur Verfügung zu stellen. Wir haben diese Hilfen Stand heute schnell und unbürokratisch umgesetzt.“

Alltagsbewegung fördern

„Sport und Bewegung sind für mich elementare Bestandteile unseres sozialen Lebens und ein Standortfaktor für eine attraktive Großstadt“, so Klein. „Stuttgarts Straßen, Parks und Plätze sollen Bürgerinnen und Bürger dazu einladen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen, auf Plätzen zu spielen und Sport zu treiben.“ Um dieses Ziel zu erreichen, konzentriert sich die Stadt Stuttgart neben der Bereitstellung einer modernen Sportstätteninfrastruktur für den Schul- und Vereinssport vor allem auf die Schaffung urbaner Bewegungsräume für Bürgerinnen und Bürger jeder Altersgruppe. Im Rahmen dessen hat das Amt für Sport und Bewegung basierend auf einer Bürgerbeteiligung und in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären wissenschaftlichen Team den „Masterplan urbane Bewegungsräume“ erarbeitet. In diesem Zusammenhang wurden bereits in den Haushaltsberatungen im Dezember 2019 rund 1,32 Mio. Euro für die Realisierung von Trendsportanlagen für Jugendliche und Bewegungsräumen für die ältere Generation eingeplant. Neben dem Bau mehrerer Pumptracks und der Installation temporärer Bodenmarkierungen ist vor allem die neue Calisthenics-Anlage im Stuttgarter Stadtteil Mühlhausen die erste permanente Umgestaltung des Stuttgarter Stadtraums. Zentral für die Umsetzung des Projekts ist die ämterübergreifende Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtplanung und Wohnen sowie dem Garten-, Friedhofs- und Forstamt.

Jedermann-Rennen der Deutschland Tour 2018.
Jedermann-Rennen der Deutschland Tour 2018. Bild: Henning Angerer, Pixathlon

Neue Wege im Bereich der Breitensportförderung beschreite Stuttgart indes auch mit der Umsetzung eines Straßenradsportkonzepts in den Jahren 2021 und 2022, so Klein: „Mit dem Konzept soll ein Jedermann-Radrennen in Verbindung mit einem jährlich wechselnden Radsport-Highlight im Elitebereich etabliert werden.“ Finanziell vom Verband Region Stuttgart unterstützt wird bereits im Juni 2021 die Premiere des „Brezel Race“ stattfinden, an dem rund 5.000 ambitionierte Hobby-Radsportler teilnehmen sollen. Die Zielgerade teilen sich die Hobbysportler dabei mit der ebenfalls in Stuttgart und Umgebung stattfindenden, dreitägigen Deutschen Meisterschaft im Straßenradsport. Hierfür investiert die Stadt Stuttgart 432.000 Euro. Ein weiteres Highlight für Hobby-Radsportler ist die Rückkehr der Schlussetappe der Deutschland Tour mit ihrem Jedermann-Rennen im Jahr 2022, deren Erstauflage 2018 den Startschuss für das Stuttgarter Straßenradsportkonzept gab.

Sporthallen im Fokus

„Ziel und Anspruch der Stuttgarter Sportpolitik ist es, ein engmaschiges und qualitativ hochwertiges Versorgungsnetz für Sport- und Bewegungsaktivitäten auf- und auszubauen“, so Klein. „Elementare Grundlage dafür ist eine in Qualität und Quantität bedarfsgerechte Sportinfrastruktur.“

In den vergangenen Jahren wurde in Stuttgart bereits eine große Anzahl abgespielter Kunstrasensportplätze saniert – auch in den kommenden Jahren stehen der Stadt nach aktuellem Haushaltsbeschluss diesbezüglich 1,05 Mio. Euro jährlich zur Verfügung. In puncto Qualität stehe aber vor allem die Sanierung weiterer Bestandsanlagen – überwiegend im Bereich der Sporthallen – auf der Agenda, so Klein: „Der Sanierungsbedarf ist enorm. Die Stadt sieht seit Jahren im erhalt und in der Modernisierung ihrer Sportstätten eine ganz zentrale Aufgabe. Gesamtstädtisch wird mit speziellen Sanierungsprogrammen versucht, den eingetretenen Sanierungsstau bei Sportplätzen, Turn- und Sporthallen und anderen Anlagen Zug um Zug abzubauen. Im Bereich der Liegenschaften in direkter Verwaltung des Amts für Sport und Bewegung arbeiten wir aktuell daran, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu monetarisieren, um diese dann priorisiert abzubauen.“

Die Volleyballerinnen des Allianz MTV Stuttgart beim Heimspiel in der SCHARRena.
Die Volleyballerinnen des Allianz MTV Stuttgart beim Heimspiel in der SCHARRena. Bild: Landeshauptstadt Stuttgart/Tom Bloch

Auch in Sachen Quantität möchte die Stadt in den kommenden Jahren zulegen, um den hohen Bedarf an Sportstätten für die rund 160.000 Sportlerinnen und Sportler der Stadt decken zu können. „Derzeit herrscht in Stuttgart ein signifikanter Mangel an Sporthallen. Ein Beispiel: Bezogen auf die gesamte Stadt liegt der Versorgungsgrad der Turn- und Sporthallen für den Vereinssport bzw. Allgemeinen Sport bei ca. 75 %.“ Infolgedessen wurde das Amt für Sport und Bewegung vom Stuttgarter Gemeinderat mit der Aufgabe betraut, ein Hallenkonzept für die schwäbische Großstadt zu erarbeiten. Gesagt, getan: Insgesamt 300.000 Euro wurden bereits im Doppelhaushalt 2020/21 für die Erstellung des „Hallenkonzepts Stuttgart 2030“ eingeplant, jährlich 600.000 Euro stehen dem Amt für Sport und Bewegung als dauerhafte Planungspauschale für Standortuntersuchungen, Machbarkeitsstudien und Entwurfsplanungen zur Verfügung.

Eines der Leuchtturmprojekte ist dabei zweifelsohne der Neubau der „Sporthalle Waldau“ in Stuttgarts zweitgrößtem, hauptsächlich von Vereinen genutztem Sportgebiet. Das Projekt, in das die Stadt rund 15,5 Mio. Euro investierte, zeichnet sich vor allem durch ihr Raumprogramm inner- und außerhalb der Halle aus: Im Innenbereich sorgen eine Bewegungslandschaft für Kinder, ein Multifunktionsraum und ein Kraftraum für vielfältiges und generationsübergreifendes Bewegungsangebot. Außen wird die Halle von einem Kunstrasenspielfeld, einer Gymnastikwiese und dem sogenannten „Action-Platz“ umrahmt. Dieser bietet mit Anlagen für Parkour und Calisthenics attraktive Trendsportflächen für Jugendliche – aber auch Ältere profitieren von einer Vielzahl an Bewegungsgeräten. „Insgesamt ist die Halle ein Prototyp für den Sportstättenbau der kommenden Jahre in Stuttgart“, so Klein. Die Sporthalle ist dank einer Photovoltaikanlage und der Nutzung von Abwärme aus der benachbarten „Eiswelt Stuttgart“ klimaneutral.

Auf demselben Areal befindet sich auch das GAZi-Stadion auf der Waldau, Heimat der Stuttgarter Kickers, das ebenfalls von Daniela Klein und ihrem Team betrieben wird.

Herzstück des Stuttgarter Sports

Der NeckarPark im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt ist mit einer Gesamtfläche von 55 Hektar das größte zusammenhängende Sportgebiet der Stadt Stuttgart und die beliebteste Anlaufstelle für Breiten-, Amateur- und Profisportler. Hier befinden sich das Stadion Festwiese, ein Leichtathletikstadion mit einer Kapazität von 4.999 Plätzen, die Bezirkssportanlage Mercedesstraße sowie die SCHARRena, eine Multifunktionshalle, die architektonisch in die Ost-Kurve der Mercedes Benz-Arena integriert wurde.

„Das Sportamt stellt diese Sportstätten den Vereinen für Veranstaltungen und den Trainingsbetrieb zu günstigen Konditionen zur Verfügung“, so Klein. „Ergänzend wird den Vereinen im Rahmen einer Nutzung ermöglicht, eigene Vermarktungseinnahmen aus Werbung und Gastronomie zu erzielen.“

Stuttgart ist zudem eine der wenigen Städte in Baden-Württemberg, die nach der Leistungssportreform noch Sitz eines Olympiastützpunkt sind. Dank der Konzentration verschiedener Sportstätten für die Schwerpunktsportarten Geräteturnen, Leichtathletik, Beachvolleyball und BMX – allen voran die Molly-Schauffele-Sporthalle mit ihrem direkt angeschlossenen Kraft-Kompetenz-Zentrum und dem Haus der Athleten – auf engstem Raum profitieren die Kaderathleten von kurzen Wegen und optimalen Trainingsund Wettkampfbedingungen.

Die ebenfalls im NeckarPark gelegene Mercedes Benz-Arena, Heimat des VfB Stuttgart sowie das Hallenduo Porsche-Arena und Hanns-Martin-Schleyer-Halle, stehen zwar allesamt nicht in der Verwaltung des Amts für Sport und Bewegung, doch gerade das Bundesligastadion verfüge im Hinblick auf die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft über eine wichtige repräsentative Funktion für die Stadt und die gesamte Region, so Klein: „Wir freuen uns, dass 2024 wieder einmal ein großes Fußballfest in unserer Stadt stattfindet.“ Nach der WM 1974, der EM 1988 und der WM 2006 wird es das vierte große, internationale Fußballturnier sein, das im einstigen Neckarstadion stattfinden wird. Klein: „Alle Turniere haben unsere Stadt positiv geprägt und waren Leuchttürme für den Sport – sowohl in Sachen Infrastruktur als auch für die Sportentwicklung insgesamt. Ich bin mir sicher, dass Stuttgart auch 2024 seinem Ruf als Sportstadt wieder alle Ehre machen wird.“ Die Planung und Umsetzung der EURO 2024 obliegt größtenteils der städtischen Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart, das Amt für Sport und Bewegung war vor allem in der Bewerbungsphase involviert.

Um für das Turnier gerüstet zu sein, müssen allerdings noch einige infrastrukturelle Maßnahmen an der Mercedes-Benz Arena umgesetzt werden – insgesamt werden rund 65 Mio. euro investiert. Allein 20 Mio. Euro entfallen auf die Erneuerung des weitgehend aus dem Jahr 1974 stammenden unteren Bereichs der Haupttribüne.

Doch nicht nur in Sachen Profisport soll der NeckarPark in den kommenden Jahren aufgewertet werden: Mit dem derzeit in Planung befindlichen Sportzentrum Q22 schafft die Stadt Stuttgart einen modernen und identitätsstiftenden Sportkomplex, der nicht nur zukunftsweisend in Sachen Nachhaltigkeit und Multifunktionalität ist, sondern zeitgleich auch proaktiv Berührungspunkte zwischen dem Schul-, Vereins-, Leistungs- und Spitzensport schafft. Das Sportzentrum soll über eine Zweifach-Sporthalle, ein Beachvolleyball- und eine Judohalle verfügen.

Das Projekt trägt zum einen maßgeblich dazu bei, dem Sporthallendefizit der Stadt Herr zu werden, setzt zeitgleich aber auch neue Maßstäbe in Sachen Umweltschutz: „Neben der Wärmeversorgung durch den Anschluss an das Nahwärmenetz im NeckarPark wird dem Ziel der Klimaneutralität unter anderem durch Fassaden- und Dachbegrünungen, Holzkonstruktionsbauweise sowie der Realisierung einer Photovoltaik-Anlage Rechnung getragen.“ Die Planungskosten in Höhe von 2,4 Mio. Euro wurden bereits in den Doppelhaushalten 2018/19 und 2020/21 berücksichtigt. (Sportplatzwelt, 05.11.2020)

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