Ausschreibungen: Die wichtigsten Fragen rund um Vergabeverfahren

Ein Beitrag über das Vergabemanagement von Martin Seifert, Claus-Stephan Schellakowsky und Helena Gerhardt des AI-Instituts.

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Der Bau und der Betrieb von Schwimmbädern wird trotz der gängigen Privatisierung, vorwiegend von Kommunen vorgenommen. Unabhängig von der späteren Betriebsform unterliegen der Bau und die Instandhaltung der Badanlage durch eine öffentliche Stelle, den Vorschriften des Vergaberechts. Allerdings sind nicht nur diese beiden Positionen dem in Deutschland und Europa geltenden Vergaberecht unterstellt.

Welche Regelwerke müssen wann angewendet werden?

Grundsätzlich müssen sämtliche Institutionen, die zu den öffentlichen Auftraggebern zählen, Liefer- und Dienstleistungen sowie Bauvorhaben im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe beschaffen und somit das Vergaberecht mit dessen umfangreichen Normen beachten.

Zu diesen Regelwerken zählen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung bzw. VgV) und die Verordnung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung bzw. SektVO). Bei Erreichen der EU-Schwellenwerte müssen diese Regelwerke im Rahmen von europaweiten Vergabeverfahren umgesetzt werden.

Des Weiteren existieren auf nationaler Ebene die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL), wobei die VOL durch die am 2. Februar 2017 veröffentlichte Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeordnung bzw. UVgO) weitestgehend abgelöst wurde. In den Bundesländern, in denen die UVgO nocht nicht eingeführt wurde, richten sich die Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich nach den Vorschriften der VOL/A. Neben den o.g. Gesetzen, Rechtsverordnungen und Regelwerken gibt es im Rahmen des Föderalismus auf Länderebene weitere Vergabegesetze, bei denen jedes Bundesland zusätzliche Anforderungen an die öffentlichen Beschaffungsprozesse festlegt.

Wer muss öffentlich ausschreiben?

Der Rechtsbegriff des öffentlichen Auftraggebers wird in den Paragraphen 98, 99, 100 und 101 des GWB definiert. Die im Gesetz genannten Begrifflichkeiten sind für den Außenstehenden jedoch alles andere als einprägsam, da sie sehr abstrakt beschrieben sind. Daher werden diese Termini im Folgenden näher skizziert und mit praxisnahen Beispielen versehen:

Gebietskörperschaften und deren Sondervermögen:

Zu den Gebietskörperschaften zählen diejenigen Institutionen, die die Gebietshoheit auf einem räumlich abgegrenzten Teil des Staatsgebietes besitzen. Beispiele:

  • Bund als Gesamtstaat, Bundesländer als Gliedstaaten, Landkreise und Kreise, kreisfreie Städte, Gemeinden und Eigenbetriebe in Form von Sondervermögen.

Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts:

Hier werden Verwaltungseinrichtungen wie die obersten und oberen Bundesbehörden sowie weitere Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengefasst. Beispiele:

  • die 14 Bundesministerien wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi als oberste Bundesbehörde)
  • die zahlreichen Bundesämter, die den jeweiligen Bundesministerien unterstehen wie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA als obere Bundesbehörde)
  • Hochschulen, Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Berufsgenossenschaften, Krankenkassen, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung, Agentur für Arbeit, Industrie- und Handelskammern, Träger der gesetzlichen Unfallversicherung etc.

Juristische Personen des privaten Rechts, falls es sich um Institutionen handelt, die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben wahrnehmen:

Hier werden Einrichtungen zusammengefasst, die durch Beteiligungen oder andere Finanzierungsmodelle der vorgenannten öffentlichen Auftraggeber finanziert werden oder deren Aufsicht unterstehen. Beispiele:

  • Kliniken, Feuerwehren, Lotteriegesellschaften etc.

Verbände, deren Mitglieder unter den vorgenannten Auftraggebern fallen:

Beispiele:

  • Gemeindeverbände (Zusammenschluss von mind. zwei Gemeinden zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts), höhere Kommunalverbände wie z. B. der Landeswohlfahrtsverband Hessen und der Kommunale Sozialverband Sachsen, Regionalverbände wie z. B. der Verband Region Rhein-Neckar und der Regionalverband Ruhr etc.

Natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, die nicht den Regelungen der vorgenannten Auftraggeber unterliegen:

Diese öffentlichen Auftraggeber zeichnen sich dadurch aus, dass sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen staatliche Subventionen in Höhe von 50% für das jeweilige Vorhaben erhalten.

Sektorenauftraggeber – Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung bzw. im Telekommunikationssektor:

Beispiele:

  • Energieversorger, Stadtwerke, Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs, Wasserbetriebe

Was sind wesentliche Ziele von Vergabeverfahren?

Die bedeutsamsten Ziele jeder Ausschreibung werden in der Abbildung (s.o.) dargestellt. Es handelt sich hierbei um die Einhaltung verschiedenster Anforderungen. Die sog. R-Regel beschreibt, dass das richtige Produkt bzw. die richtige Dienst- oder Bauleistung in richtiger Qualität am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und zum richtigen Preis beschafft wird.

Die öffentlichen Auftraggeber respektive deren Vergabestellen müssen neben diesen internen Vorgaben weitere von außen vorgegebene Regeln, wie z. B. Compliance-Richtlinien, EU-Richtlinien und nationales Recht in ihre Beschaffungsprozesse einfließen lassen, um ein rechtssicheres Vergabeverfahren durchzuführen. Diese exogenen, von außen wirkenden Regelwerke, zu welchen auch das Vergaberecht zählt, stehen allerdings einer wirtschaftlichen Beschaffung nicht konträr gegenüber, sondern schaffen vielmehr weitere Möglichkeiten zur Ausgestaltung eines Auftragsverhältnisses. So nehmen beispielsweise soziale und ökologische Aspekte, eine fristgerechte Beschaffung unter Einhaltung des Budgets und die Förderung eines offenen Wettbewerbs einen hohen Stellenwert in der öffentlichen Auftragsvergabe ein.

Beispielhafte Darstellung eines europaweiten elektronischen Vergabeverfahrens

Im Folgenden wird beispielhaft ein oft praktizierter Verfahrensablauf der AI-ILV GmbH, der auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen kann, skizziert. Diese Phasen sind im Falle eines elektronischen, europaweiten Offenen Verfahrens zu durchlaufen:

Vorbereitung:

In der Vorbereitungsphase wird auf Wunsch ein Kick-off-Workshop (Vor-Ort-Termin) durchgeführt, indem die Informationsstände abgeglichen, Möglichkeiten aufgezeigt und Informationen zu potentiellen Bietern am Markt gegeben werden. Außerdem sollten folgende Punkte abgestimmt werden:

  • Definition des Projektziels
  • Besprechung des Zeitplanes
  • Bestimmung der Ansprechpartner
  • Festlegung des Informationsflusses
  • Festlegung der Eskalationswege
  • Abstimmung von Rollen/Hierarchien
  • Detailbesprechung bezüglich Leistungsverzeichnis, Wertungs- und Eignungskriterien und Vergabeunterlagen

Zeitplan:

Wichtig für ein rechtssicheres Vergabeverfahren ist die klare Strukturierung des Fristen- und Zeitmanagements. Der Zeitplan ist fortlaufend im Blick zu behalten und – bei Bedarf – zu aktualisieren. Eine transparente Kommunikation des Zeitplans und möglicher Abweichungen ist auch gegenüber den Bietern äußerst bedeutsam.

Verfahrensart:

Bauvorhaben sowie Liefer- und Dienstleistungen sind im Oberschwellenbereich nach den Regeln der VOB/A-EU, VgV und des GWB auszuschreiben. Grundsätzlich ist entweder ein Offenes Verfahren oder ein Nicht-Offenes Verfahren durchzuführen.

Bieterfragen:

Voraussetzung für eine erfolgreiche Verfahrensdurchführung ist insbesondere, dass Bieterfragen effizient und kompetent beantwortet werden. Bei der Beantwortung der Bieterfragen ist ein besonderes Augenmerk auf die Gleichbehandlung sämtlicher Bieter zu legen. Aus unserer Erfahrung heraus zeigt sich, dass sich eine gründliche und strukturierte Vorbereitung des Vergabeverfahrens auch signifikant auf die Anzahl der eintreffenden Bieterfragen auswirkt.

Dokumentation:

Als Folge des vergaberechtlichen Transparenzgrundsatzes sind die einzelnen Schritte des Vergabeverfahrens fortlaufend zu dokumentieren. Zum Inhalt der zu erstellenden Vergabedokumentation gehören sämtliche Prüfergebnisse, insbesondere die Zulässigkeit alternativer Verfahrensarten und einer Gesamtvergabe betreffend, sowie die Begründung für oder gegen eine Losaufteilung. Eine umfassende und sorgfältige Dokumentation ist im Hinblick auf spätere Nachprüfungsverfahren bzw. Schadensersatzforderungen von großer Bedeutung. Bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation gilt die Vermutung, dass diese Schritte nicht unternommen wurden. Im Hinblick auf sämtliche Prüfergebnisse gewährleisten wir eine rechts- und revisionssichere Dokumentation.

Elektronische Abwicklung des Vergabeprozesses:

Durch die elektronische Abwicklung eines Vergabeverfahrens wird sichergestellt, dass die Fristen des Verfahrens verkürzt werden können und die Kosten des Vorgangs verringert werden. Mit der Zulassung der elektronischen Angebotsabgabe verkürzt sich auch die Angebotsfrist auf 30 Tage bei einem Offenen Verfahren. Zudem lässt sich festhalten, dass sich die Informations- und Wartepflicht im Falle einer elektronischen Übermittlung der Informationsschreiben gemäß §134 GWB (Zu- und Absageschreiben) von 15 auf 10 Tage reduziert.
 
Leistungsbeschreibung und Erstellung der Vergabeunterlagen:

Voraussetzung für eine erfolgreiche Verfahrensdurchführung ist eine fachlich präzise Definition der Leistungsbeschreibung. Die Leistungsbeschreibung muss eindeutig, erschöpfend und produktneutral sein. Darüber hinaus müssen alle Faktoren, die den Preis beeinflussen, berücksichtigt werden. Zudem müssen alle eingehenden Angebote miteinander vergleichbar sein, was mit einer korrekt definierten Leistungsbeschreibung sichergestellt wird. Wir übernehmen die hierarchisch strukturierte Definition von Leistungsverzeichnissen im XML-Format. Damit wird eine vollelektronische und kostenfreie Angebotsabgabe unter Vermeidung von Kalkulations- wie auch Formfehlern auf Bieterseite gewährleistet. Bei besonders komplexen Bedarfen wie z. B. IT-Outsourcing oder Versicherungsleistungen werden unsere Leistungsverzeichnisse in Kooperation mit partnerschaftlichen Branchenexperten erstellt.

Erstellung der Eignungs- und Zuschlagskriterien:

Wir stellen sicher, dass die Eignungs- und Zuschlagskriterien den rechtlichen Anforderungen genügen (Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand). Die Festlegung der passenden Zuschlagskriterien ist entscheidend für ein rechtssicheres Verfahren sowie für die Vergleichbarkeit der eingehenden Angebote und die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots. Besonderes Augenmerk liegt bei auf der Vermeidung einer Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, da dies aus Bietersicht einen häufigen Angriffspunkt hinsichtlich potentieller Rügen und daraus resultierenden Nachprüfungsverfahren darstellt.

Erfassung der Angebote und Angebotsöffnung:

Seit dem 18. Oktober 2018 sind Vergabeverfahren ausschließlich elektronisch abzuwickeln, weswegen die auf dem postalischen Weg eingegangenen Angebote nicht mehr berücksichtigt werden können. Diese Reform vereinfacht jedoch die Angebotsabgabe enorm. Angebote können jetzt unter Wahrung der Textform, nach § 126 b BGB, abgegeben werden. Dies bedeutet, dass lediglich der Name des zu Unterzeichnenden im ehemaligen Unterschriftsfeld angegeben werden muss. Eine tatsächliche Signatur ist danach nicht mehr notwendig. Im Zusammenhang mit der Umstellung ist jedoch auf das Erfordernis der elektronischen Verschlüsselung hinzuweisen. Angebote müssen, um vor vorzeitiger Kenntnisnahme geschützt zu sein, elektronisch verschlüsselt werden. Weiterhin ist auf die Rechtzeitigkeit und Vollständigkeit des Angebots zu achten. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Wahrung der Angebotsfrist ist hierbei der Eingang des Angebots beim Auftraggeber. Sofern die Grundsätze der elektronischen Vergabe nicht eingehalten werden, sind die Angebote auszuschließen.

Prüfung und Wertung der Angebote:

Grundsätzlich sind folgende Stufen zur Prüfung und Wertung vorgesehen:

  • Wertungsstufe 1: Ermittlung der Angebote, die wegen inhaltlicher und formeller Mängel auszuschließen sind
  • Wertungsstufe 2: Prüfung und Eignung der Bieter in persönlicher und sachlicher Hinsicht
  • Wertungsstufe 3: Prüfung der Angebotspreise
  • Wertungsstufe 4: Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots

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