Das Sportamt Kassel im Porträt

Die Sportstadt Kassel zeichnet sich nicht nur durch eine vielfältige Vereinslandschaft mit hohem Organisationsgrad aus, bei zahlreichen niedrigschwelligen Bewegungsangeboten kommen auch Nicht-Mitglieder auf ihre Kosten.

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Ob mit oder ohne Vereinsmitgliedschaft – der Sport in Kassel ist geprägt vom organisierten Breitensport und niedrigschwelligen Sportangeboten für Bürgerinnen und Bürger, die kein Mitglied in einem der 184 Sportvereine in der hessischen Großstadt sind. Davon zeugt nicht nur der überdurchschnittlich hohe Organisationsgrad in den Kasseler Sportvereinen, sondern auch die infrastrukturellen Bemühungen der Stadt Kassel im Hinblick auf die Bewegungsförderung im Alltag.

Bild: Sportamt Kassel
Geleitet werden die Geschicke des Kasseler Sports seit nunmehr 13 Jahren von Dr. Andrea Fröhlich: „Ich bin seit dem 1. April 2009 die Leiterin des Sportamtes Kassel. Bevor ich in die kommunale Sportverwaltung wechselte, war ich 15 Jahre beim Landessportbund Hessen beschäftigt.“ Die Tätigkeit im Landessportbund Hessen, im Rahmen derer Fröhlich vor allem für die Sportentwicklung verantwortlich zeichnete, kam der Sportamtsleiterin auch in ihrem neuen Job zugute: „Dieser Schritt war sehr spannend, denn aus der Sportentwicklung kommend befand ich mich nun in der Verwaltung von Sportstätten, Anträgen der Sportförderung und internen Verwaltungsangelegenheiten. Mit der Zeit wurde mir aber deutlich, dass kommunale Sportverwaltungen die Sportförderer vor Ost sind und maßgeblich den organisierten Sport und die Vereine fördern.“

Folglich war die Sportentwicklung im Kasseler Stadtgebiet auch eine der ersten großen Aufgaben – neben der Organisation der Leichtathletikmeisterschaften 2011 –, mit der sich Fröhlich und ihr Team konfrontiert sahen: „Über 18 Monate hinweg erfolgte eine Bestandsaufnahme, eine Befragung aller Akteure aus der Praxis wie auch aus der Politik und in kooperativen Sitzungen wurden Empfehlungen für den Sport der nächsten Jahre erarbeitet.“

Von den Ergebnissen dieser Erhebungen zehrt der Kasseler Sport bis heute, bilden sie doch auch noch viele Jahre später die Basis für geplante und durchgeführte infrastrukturelle Maßnahmen an den Sportfreianlagen und Sporthallen in der hessischen Großstadt. Ihren Wechsel vom Landessportbund in die kommunale Sportverwaltung der Stadt Kassel habe Fröhlich nie bereut. Fröhlich: „Der enge Kontakt, den wir auf allen Ebenen zu den Vereinen unserer Stadt pflegen, ist nicht nur täglich Herausforderung und Inspiration zugleich; er hilft auch dabei, gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft für uns als große Kasseler Sportfamilie anzupacken.“

Zu dieser Familie zählen nicht nur die rund 50.000 Mitglieder in den 184 Kasseler Sportvereinen und die vielen Individualsportler und -sportlerinnen, sondern elbstverständlich auch das 48-köpfige Team im Sportamt Kassel – bestehend aus Verwaltungsmitarbeitern und -mitarbeiterinnen, Platz- und Hallenwarten sowie Werkstattmitarbeitern und -mitarbeiterinnen. Punktuell wird dieses Team auch immer wieder von Dual-Studierenden oder Auszubildenden unterstützt.

Trends aufgreifen: Die Stadt Kassel setzt sich für niedrigschwellige Sport- und Bewegungsangebote ein.
Trends aufgreifen: Die Stadt Kassel setzt sich für niedrigschwellige Sport- und Bewegungsangebote ein. Bild: Harry Soremski / Stadt Kassel

Sport in Kassel

Der überdurchschnittlich hohe Organisationsgrad, also der Anteil der Kasseler Bevölkerung, der Mitglied in einem Verein des organisierten Breitensports ist, zeugtvom hohen Stellenwert, den der Sport in der hessischen Großstadt innehat. 50.000 Kasseler und Kasselerinnen sind in den 184 Sportvereinen im Stadtgebiet organisiert – „gerechnet auf die Gesamtbevölkerungszahl von 201.585 eine echte Bank“, so Fröhlich.

Diese hohe Sportaffinität der Kasseler Bevölkerung sieht Fröhlich vor allem darin begründet, „dass die Vereine nicht nur die Möglichkeiten des Sporttreibens in unterschiedlichen Abteilungen ermöglichen, sondern gerade im Fall der großen Stadtteilvereine auch eine soziale Heimat bieten.“ Diese Verbundenheit und das gegenseitige Helfen über das gemeinsame Ausüben sportlicher Aktivitäten hinaus sei ein wichtiger Faktor im Kasseler Vereinssport, der auch im Verlauf der Corona-Pandemie immer wieder deutlich geworden sei, wie Fröhlich erklärt: Etliche Vereine seien in den vergangenen Monaten kreative Wege gegangen, um auch während der Corona bedingten Einschränkungen für ihre Mitglieder da zu sein, vor allem „Großsportvereine mit ihrem Status einer sozialen Heimat hatten eher weniger Austritte zu beklagen“.

Wie in vielen anderen deutschen Städten beobachten Fröhlich und ihr Team auch in Kassel eine steigende Nachfrage nach niedrigschwelligen Bewegungsangeboten im öffentlichen Raum: „Insgesamt ist zu beobachten, dass auch außerhalb der Vereine eine wachsende Begeisterung für Bewegung vor allem an der frischen Luft zu beobachten ist. Mit seinen vielen Grünanlagen sowie als Mittelpunkt einer waldreichen Region ist Kassel der geradezu perfekte Ausgangspunkt für Wander- und Radtouren. Aber es ist auch nicht unüblich, in den frühen Morgenstunden oder abends nach Feierabend in den Parks Gruppen verschiedenen Alters bei Tai-Chi, Yoga sowie Tabata oder HIT-Training zu beobachten.“

In Zusammenarbeit mit anderen städtischen Ämtern ist das Sportamt der Stadt Kassel deshalb darauf bedacht, diesem steigenden Trend durch die Schaffung neuer Sport- und Bewegungsangebote im öffentlichen Raum zu folgen. Nicht nur der neu geschaffene Kasseler Sport- und Gesundheitsparcours und der Bau eines öffentlichen Jugendsportplatzes, sondern auch der geplante Trailpark im Habichtswald und eine in Planung befindliche zweite öffentliche Eisfläche zeugen von den Bemühungen der Stadt Kassel, diesen landesweiten Trend aufzugreifen und Bürgern und Bürgerinnen abwechslungsreiche Bewegungsangebote im öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellen. Überregionale Beachtung hat in diesem Zusammenhang auch das speziell für ältere Menschen entwickelte Bewegungsangebot „Treffpunkt Bewegung“ erfahren, das bereits in mehr als der Hälfte der Kasseler Stadtteile angeboten wird und auch mit dem Hessischen Gesundheitspreis ausgezeichnet wurde.

Speziell für ältere Menschen entwickelt und mit dem Hessischen Gesundheitspreis ausgezeichnet: Das Bewegungsangebot "Treffpunkt Bewegung".
Speziell für ältere Menschen entwickelt und mit dem Hessischen Gesundheitspreis ausgezeichnet: Das Bewegungsangebot "Treffpunkt Bewegung". Bild: Stadt Kassel

Langfristige negative Auswirkungen auf den organisierten Vereinssport in Kassel sieht Fröhlich angesichts der aktuellen Entwicklungen indes nicht: „Die Sportvereine haben ihre Bedeutung nie verloren – und werden diese auch in den nächsten Monaten zu altem Stellenwert bringen können. Wir dürfen nicht vergessen, dass die vergangenen beiden Jahre auch das Bewusstsein für Bewegung und Gesundheit aber auch die soziale Komponente geschärft haben und die Menschen gerade dort Nachholbedarf haben. Es ist nun an den Vereinen, auf diese Motivationslage mit entsprechenden Angeboten zu reagieren und damit die ausgebliebenen Neueintritte der Vergangenheit schnell aufzuholen.“

Und derer Angebote gibt es in Kassel zur Genüge – sowohl für aktive Sportler als auch für sportbegeisterte Fans. Doch nicht nur die rund 50.000 Aktiven finden in den 184 Sportvereinen im Kasseler Stadtgebiet – darunter zahlreiche Traditionsvereine mit vielversprechenden Nachwuchsabteilungen – stets das passende Bewegungsangebot, auch die Sportvereine selbst erfreuen sich in Kassel optimaler Bedingungen – beispielsweise die Wassersportler, deren Vereinshäuser sich direkt an den Ufern der Fulda befinden. Doch nicht nur sportlich Aktive profitieren von der vielfältigen Vereinslandschaft Kassels, wie Fröhlich erklärt: „Ihre Begeisterung zeigen die Bewohner der Stadt auch als leidenschaftliche Anhänger von Handball-Bundesligist MT Melsungen, DEL2-Club Kassel Huskies, dem Fußball-Regionalligisten KSV Hessen Kassel oder als Zuschauer bei Events wie dem Kassel-Marathon oder den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften, die wir im kommenden Jahr ausrichten dürfen.“

Im kommenden Jahr finden die Deutschen Leichtahtletikmeisterschaften in Kassel statt.
Im kommenden Jahr finden die Deutschen Leichtahtletikmeisterschaften in Kassel statt. Bild: Harry Solemski / Stadt Kassel

Sportstätten in Kassel

Dem organisierten Breitensport in Kassel entsprechend geeignete Sportstätten zur Verfügung zu stellen, ist neben der klassischen Sportförderung und dem Belegungsmanagement eine der Hauptaufgaben des Sportamts Kassel. Fröhlich: „Dem deutschlandweit bekannten Sanierungsstau von Sportstätten begegnen wir in Kassel durch regelmäßige und fortwährende Sanierung der Sportstätten, die für den Schul- und Vereinssport benötigt werden. Hierbei erfolgen nicht nur reine Sanierungsarbeiten, sondern auch zukunftstragende energetische Aufbesserungen, um den Sport nachhaltig zu gewährleisten.“

So konnte die Stadt Kassel allein in den vergangenen drei Jahren mehrere bedeutsame Sportstättenprojekte abschließen: Allen voran der 2019 begonnene und 2021 eröffnete Neubau der „task-Halle Auepark“, die gleichzeitig auch das Aushängeschild einer wegweisenden Kooperation darstellt. Gemeinsam mit der Universität Kassel betreibt die Stadt das „Transfer- und Anwendungszentrum für Sport in Kassel“ (kurz: task). Fröhlich: „Hinter dieser bundesweit bisher wohl einmaligen Kooperation verbirgt sich die Idee, Erkenntnisse aus der Sportwissenschaft praktisch im Vereins-, Schul- und Leistungssport umzusetzen.“

Ergebnis einer einmaligen Kooperation: Die task-Halle im Auepark.
Ergebnis einer einmaligen Kooperation: Die task-Halle im Auepark. Bild: Bernd Schoelzchen / Stadt Kassel

Weitere Meilensteinprojekte der vergangenen Jahre waren der Umbau und die Modernisierung der Großsporthalle Auepark sowie die Großsanierung der Sporthalle Königstor, deren Fertigstellung für den August 2022 geplant ist. Und auch in den kommenden Jahren herrscht in der Kasseler Sportstättenentwicklungsplanung keineswegs Stillstand: Bis 2023 soll die Sporthalle Oberzwehren umfassend umgebaut und saniert werden, bis 2024 erfolgen Umbau und Sanierung der Sporthalle Hegelsberg. Bis 2025 bzw. 2026 sollen dann auch die Sporthalle Waldau und die Sporthalle Harleshausen umfangreich saniert werden.

Im Hinblick auf die Kasseler Sportplätze macht sich eine Besonderheit bemerkbar: Outdoor-Sport wird in Kassel größtenteils auf natürlichem Grün oder unverfüllten Kunstrasensystemen ausgetragen – und das bereits vor Beginn der von der Europäischen Chemikalien-Agentur und dem Fraunhofer Institut ins Rollen gebrachten Mikroplastik-Debatte. Fröhlich: „Es gab bis 2019 nur zwei mit Granulat verfüllte Kunstrasenplätze- Einer wurde saniert und mit Sand verfüllt. Dies geschah im Hinblick auf die Mikroplastik-Diskussion. Der zweite Kunstrasen wird im Rahmen einer anderen Baumaßnahme zurückgebaut und nicht ersetzt.“

Bei der Finanzierung dieser Sanierungsprojekte greift die Stadt Kassel auch regelmäßigauf Förderprogramme des Landes Hessen oder des Bundes zurück – auch wenn Fröhlich hier noch erhebliches Verbesserungspotenzial sieht: „Wir brauchen mehr und transparentere Förderprogramme mit genügend Zeitvorlauf, um unsere Sportstätten nachhaltig zukunftsfähig zu machen – gerade jetzt!“ Mangelnde Transparenz, zu lange Vorlaufzeiten und die Tatsache, dass „Förderprogramme häufig zeitlich und darüber hinaus auf ganz bestimmte, manchmal kleinteilige Vorhaben begrenzt“ sind, würden mitunter dafür sorgen, dass eine Kommune ihren Eigenanteil oder entsprechende Arbeitsressourcen nicht in der Kürze der Zeit aufbringen könnte. Hoffnung macht der Sportamtsleiterin in diesem Zusammenhang der neue Koalitionsvertrag und der darin enthaltene Entwicklungsplan Sport, auch wenn Fröhlich diesbezüglich abschließend warnt: „Die wertvollen finanziellen und zeitlichen Ressourcen dürfen nicht in komplexen Verwaltungsapparaten der Förderstruktur verloren gehen.“ (Sportplatzwelt, 05.05.2022)

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