Koalitionsvertrag: Auswirkungen auf Sport
Die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen hat sich im gemeinsamen Koalitionsvertrag auf künftige Gesetzesänderungen geeinigt, die auch Auswirkungen auf den Sport, den Sportstättenbau und die Sportverwaltung einher.
Auf 177 Seiten legt der neue Koalitionsvertrag den Fokus dabei vor allem auf den Ausbau digitaler Strukturen in der Verwaltung, die Neustrukturierung von Vergabeverfahren, die Nachhaltigkeit im Bauwesen und Betrieb öffentlicher Gebäude sowie Inklusion, Integration und Prävention von (sexualisierter) Gewalt in den Sportvereinen. Auch entsprechende Förderrichtlinien könnten demnach in den kommenden Monaten Anpassungen erfahren.
Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung
„Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Sie muss auf interdisziplinäre und kreative Problemlösungen setzen. […] Wir wollen Silodenken überwinden und werden feste ressort- und behördenübergreifende agile Projektteams und Innovationseinheiten mit konkreten Kompetenzen ausstatten.“ Hierzu soll nicht nur der Digitalisierungsstand der deutschen Verwaltung verbessert, sondern auch „proaktives Verwaltungshandeln durch antragslose und automatisierte Verfahren gesetzlich“ verankert werden. Zudem sollen Personalaustausch und -rotation zwischen Behörden, Bund und Ländern sowie Verwaltung und Privatwirtschaft vereinfacht werden.
„Deutschland braucht einen umfassenden digitalen Aufbruch“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Die Menschen erwarten vom Staat einfach handhabbare und zeitgemäße digitale Leistungen, nutzerorientiert, medienbruchfrei und flächendeckend.“ In diesem Zusammenhang soll das Onlinezugangsgesetz (OZG) weiterentwickelt und entsprechend budgetiert werden, um „eine klare Standardisierung und Vereinheitlichung von IT-Verfahren nach dem Einer-für-alle-Prinzip (EfA)“ zu unterstützen. Hierzu sollen im Rahmen der IT-Konsolidierung klare Verantwortlichkeiten geschaffen werden und die IT-Budgets des Bundes zentral zusammengeführt werden. Die Föderale IT-Kooperation (FITKO) soll in eine „agile, flexible Einheit mit einem mehrjährigen Globalbudget“ geändert werden. „Kommunen müssen von Bundesmitteln profitieren und im Rahmen des EfA-Prinzips entwickelte Lösungen übernehmen können.“ Digitalisierungshemmnisse sollen indes mittels Generalklausel abgebaut werden. Zudem will die Ampel-Koalition „auf Basis einer Multi-Cloud-Strategie und offener Schnittstellen sowie strenger Sicherheits- und Transparenzvorgaben“ eine Cloud für die öffentliche Verwaltung aufbauen.
Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
„Um Deutschland zügig zu modernisieren, sind schnelle Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren zentrale Voraussetzung“, heißt es im Koalitionsvertrag. Hierzu sollen „alle staatlichen Stellen […] Verwaltungsverfahren so vereinfachen und verbessern, dass gerichtliche Auseinandersetzungen möglichst vermieden werden.“ Planungs- und Genehmigungsprozesse sollen umfassend digitalisiert werden, die Behörden erhalten hierfür die nötige Technik und zusätzliches Personal, es sollen bundesweite Standards geschaffen werden. Planungsprozesse sollen mit Hilfe der Gebäudedatenmodellierung effizienter, kostengünstiger und transparenter gestaltet werden. Um Doppelprüfungen zu vermeiden, sollen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren enger miteinander verzahnt werden.
Anpassung des Vergaberechts
„Wir wollen die öffentlichen Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen“, heißt es im Koalitionsvertrag. In diesem Zusammenhang will die Bundesregierung „die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten und die Verbindlichkeit stärken, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden […].“ Hierzu soll eine zentrale, bundesweite und anwenderfreundliche Vergabeplattform geschaffen werden.
Ausbau von Klima- und Umweltschutz
Um den Klima- und Umweltschutz im Bereich der Stromversorgung zu verbessern, sollen nicht nur Planungs- und Genehmigungsverfahren für Anlagen zur umweltfreundlichen Stromerzeugung vereinfacht werden, sondern explizit auch der Ausbau von Photovoltaikanlagen gefördert werden. Hierzu sollen Netzanschlüsse und Zertifizierungen beschleunigt, Vergütungssätze angepasst, die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen – beispielsweise auf öffentlichen Gebäuden wie Sporthallen – und die Deckel geprüft werden.
Zudem soll das Klimaschutzgesetz bereits im kommenden Jahr umfassend weiterentwickelt und ein Klimaschutz-Sofortprogramm eingeführt werden – auch mit Auswirkungen auf den Sportstättenbau. In diesem Zusammenhang sollen unter anderem der Gebäudeenergieausweis digitalisiert und vereinfacht und ein digitaler Gebäuderessourcenpass eingeführt werden.
Stärkung des Ehrenamts
Die Koalition erkennt die Bedeutung des Ehrenamts an, dieses wird bereits in der Präambel des Koalitionsvertrags explizit genannt. „Bürgerschaftliches Engagement ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie die Demokratiepolitik in den vergangenen Jahren immer bedeutsamer geworden. Wir wollen Menschen, die sich bürgerschaftlich engagieren, unterstützen, gerade auch junge Menschen für das Ehrenamt begeistern und daher das Ehrenamt von Bürokratie und möglichen Haftungsrisiken entlasten.“
Demnach sollen die Fördermittel der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt deutlich erhöht werden und das Gemeinnützigkeitsrecht modernisiert werden, um „der entstandenen Unsicherheit nach der Gemeinnützigkeitsrechtssprechung des Bundesfinanzhofes entgegenzuwirken“. Hierzu sollen „gegebenenfalls […] auch die einzelnen Gemeinnützigkeitszwecke“ konkretisiert und ergänzt werden.
Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft soll so eine neue nationale Ehrenamtsstrategie geschaffen werden. Weitere Ehrenamtsprogramme wie „Menschen stärken Menschen“ und „Demokratie leben!“ sollen fortgesetzt und gestärkt werden.
Entwicklungsplan Sport
Im Abschnitt „Innere Sicherheit, Bürgerrechte, Justiz, Verbraucherschutz, Sport“ findet sich eine mehrseitige Passage, die sich explizit mit der Sportförderung, dem Sportstättenbau und der Sportentwicklung in Deutschland befasst: „Wir erarbeiten unter breiter Beteiligung einen ‚Entwicklungsplan Sport‘ und weiten die Offensive für Investitionen in Sportstätten von Kommunen und Vereinen unter Beachtung von Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Inklusion aus und berücksichtigen insbesondere Schwimmbäder stärker.“
Der DOSB begrüßt diese Entscheidung: „Besonders wertvoll aus Sicht des organisierten Sports sind die Pläne in den Bereichen Sportstättenbau, Breitensportförderung und Sportentwicklung. So ist erstmals von Investitionen in Sportstätten von Kommunen sowie Vereinen die Rede, womit eine langjährige Forderung des DOSB aufgenommen worden ist.“ Der DOSB sei zudem erfreut darüber, dass der Koalitionsvertrag nahelege, „dass der autonom organisierte Sport hier bei der Erarbeitung eng eingebunden sein wird.“ Auch nach Corona soll die Breitensportförderung des Bundes fortgesetzt werden. Vor allem der stärkere Fokus auf die Sanierung und Instandsetzung Deutschlands desolater Bäderlandschaft war eine Forderung, die die Bäderallianz Deutschland in den vergangenen Monaten mehrfach an den Bund herangetragen hatte.
Zudem will der Bund, der hauptverantwortlich für die Förderung des Spitzensports in Deutschland ist, künftig bessere Rahmenbedingungen für den Spitzensport schaffen. In diesem Zusammenhang soll auch das Potenzialanalysesystem (PotAS), im Rahmen dessen eine unabhängige Kommission die Verteilung der Mittel der Spitzensportförderung an die einzelnen Verbände regelt, entbürokratisiert und effizienter gemacht werden. Der DOSB: „Noch weitgehend unklar ist hingegen, wie sich Rot-Grün-Gelb eine ‚unabhängige Instanz zur Mittelvergabe‘ im Spitzensport vorstellen. Hier stehen allen Beteiligten sicher interessante Diskussionen bevor.
Die Koalition sieht zudem den Aufbau eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport vor, um „den Kampf gegen physische, psychische und insbesondere sexualisierte Gewalt im Sport zu verbessern“. Zudem soll ein Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport aufgelegt werden. Auch die Dopingprävention und die Koordinationsstelle Fanprojekte sollen künftig gestärkt werden.
„Eine Anschlussfähigkeit sehen wir auch beim Thema Sportgroßveranstaltungen“, so der DOSB, „wo auf die von BMI und DOSB erarbeitete Nationale Strategie SGV aufgesetzt wird. Unter Berücksichtigung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und Nachhaltigkeit sowie einer Einbeziehung der Bevölkerung wird die Unterstützung der Bundesregierung für eine zukünftige Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele angekündigt.“
Des Weiteren will der Bund künftig die Inklusion im Sport stärken, Sport- und Bewegungsangebote im Ganztag für Schülerinnen und Schüler ausbauen, ein Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit auf den Weg bringen, die für die Sportjugenden relevante bedarfsgerechte Aufstockung des Kinder- und Jugendplans vorantreiben und die Zusammenarbeit mit den Schützenverbänden bei der Evaluierung des Waffenrechts verbessern.
Hoffnung können sich zudem Vereine machen, die eine eigene E-Sport-Abteilung in ihren Verein integrieren wollen: Bislang haben solche Vereine durch die Implementierung von digitalen Sportangeboten ihren Gemeinnützigkeitsstatus gefährdet; in einigen wenigen Bundesländer gab es bislang die Möglichkeit, E-Sport im gemeinnützigen Verein unter dem Dach der gemeinnützigen Jugendhilf quasi „durch die Hintertür“ auch in gemeinnützigen Vereinsstrukturen umzusetzen – allerdings nur in Verbindung mit umfassenden Satzungsänderungen. Nun soll E-Sport als gemeinnützig anerkannt werden, wodurch auch reine E-Sport-Vereine bzw. Vereine mit E-Sport-Abteilung künftig auf entsprechende Fördermittel und steuerrechtliche Erleichterungen hoffen dürfen.
Der DOSB: „Auf jeden Fall stellt dieser Vertrag eine gute Grundlage dar, um in den kommenden Jahren gemeinsam mit der neuen Bundesregierung und dem Deutschen Bundestags sportpolitische Akzente zu setzen, die unseren rund 27 Millionen Mitgliedern in den 90.000 Sportvereinen Rückenwind bei der Überwindung der Pandemie und ihren Folgen geben, das Ehrenamt und freiwilliges Engagement stärken sowie den Spitzensport und damit unsere Verbände mit ihren Athlet*innen noch zielgerichteter fördern und schützen.“ (Sportplatzwelt, 27.11.2021)