eSport: Eine Chance für den Breitensport?
Handelt es sich bei eSports um eine Sportart im klassischen Sinne? Darüber wird nach wie vor diskutiert. Fakt ist aber, dass sich bereits jetzt viele eSportler den Eintritt in einen Verein wünschen. Eine Chance für kleine Vereine, um hier Mitglieder zu werben?
Viele Menschen haben eine konkrete Vorstellung vor Augen, wenn sie sich oberflächlich mit dem Thema eSport beschäftigen: Junge Männer und Frauen, die an Konsolen oder am Computer sitzen und „zocken“. Dabei ist das nur ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Eine Untersuchung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zeigt, dass sich fast drei Viertel der aktiven eSportler die Professionalisierung ihres Sports und die Zugehörigkeit zu einem Verein wünschen – egal ob dieser lediglich eine einzelne Abteilung anbietet oder sich komplett auf eSports fokussiert.
eSports weltweit in Zahlen
Der weltweite Gesamtumsatz der Branche – also sämtliche durch eSports generierten Umsätze in den Bereichen Medienrechte, Werbung, Sponsoring, Merchandise, Ticketing und Publisher-Gebühren – lagen dem „2018 Global eSports Market Report“ des Videospiel- und eSports-Marktanalysten Newzoo zufolge im Jahr 2016 noch bei 425 Mio. Euro. In den Folgejahren zeichnete sich ein stetiges Wachstum um jährlich rund 35 % ab – die Gesamtumsätze für das Jahr 2018 beliefen sich in der Folge auf rund 782 Mio. Euro. Und noch ist kein Ende dieses Wachstums in Sicht: Bis zum Jahr 2021 soll die Branche einen Gesamtumsatz von rund 1,4 Mrd. Euro generieren. Der Löwenanteil des Gesamtumsatzes (durchschnittlich rund 75 %) wird dabei direkt – also durch Sponsoring und Werbung – und indirekt – durch den Erwerb von Medienrechten und Content-Lizenzen – durch Investitionen endemischer und nicht endemischer Marken und Unternehmen erwirtschaftet, die im Jahr 2018 knapp 600 Mio. Euro investiert haben. Dies entspricht einem Wachstum von rund 48 %. Während Sponsoring- und Werbe-Engagements endemischer Marken und Unternehmen – also Unternehmen, deren Produkte in direktem Zusammenhang mit dem Sponsoringpartner stehen (z.B. Computerhersteller) – bei Betrachtung des gaming- und technikaffinen Publikums naheliegend sind, zeugt vor allem die steigende Beteiligung nicht-endemischer Sponsoren davon, dass viele Unternehmen die Werbe- und Marketingpotenziale des eSports erkannt haben. Auch wenn Nordamerika aktuell mit einem Marktanteil von rund 38 % weiterhin der größte und attraktivste Markt für Arbeitnehmer, Sponsoren und Fans ist, schlägt sich das rasante Wachstum und die zunehmende Professionalisierung der Branche natürlich auch auf den deutschen Markt nieder: Lag der Gesamtumsatz der Branche in Deutschland im Jahr 2013 noch bei rund 8,3 Mio. Euro, stieg dieser bis zum Jahr 2018 auf rund 63 Mio. Euro – eine Steigerung um 659 %.
„Wenige Menschen wissen, was und wer genau hinter diesem Sport steckt“, sagt Jonas Raltschitsch, der Verfasser der Studie. „Viele der befragten Spieler wünschen sich die Strukturen eines traditionellen Vereins, um ihren Sport professioneller zu betreiben.“ Dazu gehören die gemeinsame Vorbereitung in einem Trainingsraum, eine organisierte Teilnahme an einem Ligabetrieb und der direkte Austausch miteinander. „Bei diesem Wunsch besteht kein Unterschied zu Vereinsmitgliedern anderer Sportarten. Das Miteinander und die sozialen Beziehungen stehen hier im Vordergrund. Die Spieler wollen am Vereinsleben teilhaben – und das offline.“
Für Vereine könnte sich hier also die Chance bieten, neue Mitglieder zu gewinnen. Denn in Deutschland gibt es nach Einschätzung des eSport-Bund Deutschland e.V. (ESBD) drei bis vier Millionen eSport-affine Menschen – und die Mehrheit möchte sich im Amateurbereich organisieren.
Mit geringem (finanziellen) Aufwand wäre die Einführung oder der Testlauf einer eSport-Abteilung für kleine Vereine zu realisieren: Computer oder Konsolen könnten leihweise an-geschafft oder von den Interessierten mitgebracht werden, ein kleiner Trainingsraum mit Tischen und Stühlen dürfte in jedem Vereinsheim zu finden sein. „Wichtig ist bei dem Angebot die Wahl der Spiele und Plattformen, auf denen aktiv trainiert werden soll bzw. die in das Portfolio eines Vereins aufgenommen werden“, sagt Martin Müller, Vizepräsident des ESBD.
„eSport kann ein Tool zur Mitgliedergewinnung sein“ – Ein ausführliches Interview mit Martin Müller, Vizepräsident des eSports-Bund Deutschland e.V. und Vorsitzender des Magdeburg eSports e.V., finden Sie hier.
„PC-basierte Teamspiele eignen sich für die Gewinnung neuer Mitglieder im Besonderen, da sie eine gewisse Grundkenntnis von Technik voraussetzen und einen sehr hohen Kommunikationsanteil aufweisen. Ist ein Verein auf eine Sportart fokussiert, beispielsweise Fußball, bietet sich eher ein auf Konsolen und Sportspiele ausgerichtetes Konzept an, wie EA SPORTS FIFA. Hierbei steht eher die Mitgliederbindung im Vordergrund.“
Die Integration von eSport in Sportvereine bietet jedoch noch weitere Möglichkeiten, die für den Breitensport wichtig sein können. „Neben dem Wissen der Mitglieder hinsichtlich der Nutzung von Social-Media-Kanälen können Streaming-Angebote aufgebaut oder eSport-Events abgehalten werden. Damit ist die Steigerung der Attraktivität des Vereins für Sponsoren aufgrund steigender Reichweite und einer jungen Zielgruppe verbunden, die langfristig zu steigenden Einnahmen und neuen Erlösquellen führen kann“, findet Müller.