Aufenthaltsqualität: Auch eine Sache der Raumakustik

Neben der ökologischen und ökonomischen Qualität spielt vor allem auch die soziale und funktionale Qualität eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Nachhaltigkeit einer Sportstätte. Dazu zählt unter anderem auch die Raumakustik. Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht nur auf die ökologische Betrachtung eines Gebäudes und seiner Auswirkungen auf die Umwelt, Natur und das Klima.

Auch soziale Aspekte wie der Komfort, die Sicherheit und die Anpassungsfähigkeit eines Gebäudes spielen bei der Nachhaltigkeitsbewertung eine wichtige Rolle. So gilt es künftig auch im Bausektor Lösungen anzustreben, die das Miteinander nachhaltig angenehmer gestalten, den Nutzerkomfort erhöhen und dadurch Stressfaktoren weitestgehend eliminieren sollen. Neben dem thermischen Komfort und der Luftqualität in Innenräumen stellt dabei vor allem die Raumakustik einen der wichtigsten Faktoren in der Betrachtung und Bewertung komfortabler und gesunder Sport- und Lehrräume dar. Nicht ohne Grund führen Zertifizierungsorganisationen wie beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) den „Akustischen Komfort“ als eines der wesentlichen Bewertungskriterien der soziokulturellen und funktionalen Qualität eines als „nachhaltig“ zertifizierten Gebäudes auf. Die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von dauerhaft hohen Lärmpegeln sind dabei durch verschiedene unabhängige Studien und Institutionen längst untersucht: Dauerhaft hohe Geräuschpegel sorgen für eine vermehrte Ausschüttung an Stresshormonen – mit einer Vielzahl an langfristigen Folgen für die Geschädigten.

Dennoch werde das Thema gesunde Raumakustik vor allem in Sporträumen bis dato weitestgehend vernachlässigt, wie Dr. Moritz Späh, Leiter der Gruppe Raumakustik am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, erklärt: „Beim Bau oder bei der Sanierung von Sport- und Schwimmhallen wird selten explizit auf eine gute Akustik geachtet. Die Nachhallzeiten sind in der Regel viel zu lang, denn es fehlen schallabsorbierende Oberflächen.“ Die Nachhallzeit beschreibt dabei die Halligkeit eines Raumes und bezeichnet die Dauer, die ein Geräusch benötigt, um nach dem Abschalten um 60 dB abzufallen. Sie wird in Sekunden gemessen.

Schallabsorbierende Trennvorhänge verbessern die Akustik.
Schallabsorbierende Trennvorhänge verbessern die Akustik. Bild: Sportplatzwelt

Späh: „Ist die Nachhallzeit zu lang, wird einerseits die Sprachverständlichkeit stark eingeschränkt, andererseits kann es in den Hallen sehr laut werden. Verstärkt wird dieses Problem durch den Lombard-Effekt.“ Dieser Effekt dürfte vielen in der Praxis bereits begegnet sein: Personen, die sich über längere Zeit in einer zu lauten Umgebung mit schlechter Sprachverständlichkeit aufhalten, neigen dazu, immer lauter zu sprechen. Hierdurch schaukelt sich der allgemeine Lärmpegel immer weiter hoch – vor allem in Sporthallen, die auch für den Schulsport genutzt werden, ein nicht zu vernachlässigender Effekt, der erheblichen Einfluss auf die Qualität und Sicherheit des Sportunterrichts nehmen kann – die Kommunikation leidet, das Unfallrisiko nimmt zu. Späh: „Die Pegel erreichen dabei auch Werte, die über eine typische Expositionszeit hörschädigend wirken können. Für Lehrpersonal und Schüler ergibt sich zudem eine hohe Belastung der Stimme. Das kann zu Stimmproblemen, schlimmstenfalls sogar zur Erkrankung des Stimmapparats und somit zum Ausfall von LehrerInnen und TrainerInnen führen.“

Das Unmessbare messbar machen

Späh: „Das Empfinden von Störung durch verschiedene Geräuschquellen kann durchaus unterschiedlich sein, die dauernde Belastung durch zu hohe Schallpegel und schlechte Sprachverständlichkeit dagegen weniger. In vielen Fällen wird die Problematik jedoch in jüngeren Jahren weniger bemerkt. Mit der Dauer der Belastung, zum Teil auch über Jahre, werden die negativen Folgen immer klarer und entsprechendauch besser wahrgenommen.“

Grundsätzlich könne das subjektive Empfinden mittels psychoakustischer Tests und Befragungen der betroffene
Personen aber sehr wohl objektiviert und gemessen werden, so Späh. „Hierzu stehen standardisierte Tests und Fragebögen zur Verfügung, die die subjektive Belastung durch Lärm messbar machen.“

Neubau vs. Bestand

Dass vor allem bei Neubauprojekten mit Nachhaltigkeitsanspruch künftig im Sinne der Gesundheit und des Wohlbefindens auch eine gesunde und möglichst von Stressfaktoren befreite Raumakustik weit oben auf der Agenda stehen sollte, liegt somit auf der Hand. Häufig sind den Bauherren hier aufgrund standardisierter Gebäudegeometrien aber Grenzen gesetzt, weshalb frühzeitig an eine entsprechende Ausstattung gedacht werden sollte. Späh: „Eine frühzeitige Berücksichtigung der Akustik ist eine Chance, mit keinem oder geringem zusätzlichen finanziellen Aufwand von Anfang an eine gute Akustik zu planen und diese auch zu erreichen“, so Späh. Nachträgliche Verbesserungen seien indes mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden, wie Späh erklärt: „Die nachträgliche Verbesserung der Raumakustik, das heißt, die zusätzliche Ausstattung des Raumes mit schallabsorbierenden Flächenbekleidungen bzw. Materialien ist nicht ganz einfach, denn Sporthallen haben ein großes Volumen und bedürfen daher einer größeren Fläche von absorbierenden Materialien bzw. Oberflächen, um spürbare Verbesserungen zu erreichen.“

Ansatzpunkte in Bestandshallen bieten dabei vor allem die Trennvorhänge, die durch die Verwendung schallabsorbierender Materialien bereits einen erheblichen Beitrag nicht nur zur Verbesserung der Raumakustik insgesamt leisten, sondern vor allem auch dazu beitragen können, die einzelnen Bereiche einer Mehrfachsporthalle bei gleichzeitiger Nutzung durch mehrere Schulklassen oder Sportvereine akustisch klarer voneinander zu trennen. Aktuell am Markt verfügbare Produkte werden dabei auch durch die Forschungsarbeit renommierter Einrichtungen wie dem Fraunhofer-Institut ständig weiterentwickelt: So hat das Fraunhofer-Institut jüngst einen breitbandig schallabsorbierenden und schalldämmenden Trennvorhang entwickelt, der bereits entsprechend patentiert wurde und ab sofort in den ersten Sporthallen verbaut werden soll. Doch nicht nur über einen Austausch der Trennvorhänge lassen sich bereits erhebliche Verbesserungen in der Raumakustik erzielen, wie Späh erklärt: „Darüber hinaus können gängige Prallwände durch hoch absorbierende ersetzt werden. Die zusätzliche Anbringung von Schallabsorbern oberhalb der Prallwände, an der Decke oder der Einsatz von schallabsorbierenden Stoffen als Vorhang oder als Akustiksegel können die Nachhallzeiten und Pegel im Raum senken.“

Häufig unterschätzt: Der Sportboden

Eine häufig unterschätzte Lärmquelle, die viele Bauherren bei der Planung einer neuen oder der Sanierung einer bestehenden Sporthalle außer Acht lassen, findet sich im Sportboden. Zwar geht die Auswahl eines Sportbodens in der Regel mit dem angestrebten Nutzungskonzept einher, Experten wie Späh raten Fachplanern und Bauherren aber dazu, auch die akustischen Eigenschaften der verfügbaren Systeme in den Entscheidungsprozess miteinfließen zu lassen: „Die Schallabstrahlung von Sportböden kann sich nach unseren Untersuchungen bei standardisierter Anregung um bis zu 4 dB im Summenpegel unterscheiden. Dies ist insoweit relevant, als die Prallgeräusche von Bällen im Sportunterricht erhebliche Pegel verursachen und auch die Trittgeräusche beim Rennen von Personen hinzukommen. Da der Sportboden eine große Fläche in Sporthallen aufweist, können diese Geräusche, wir für uns alle hinlänglich bekannt, sehr laut sein.“

Böden auf elastischer Konstruktion würden den Untersuchungen Spähs und des Fraunhofer-Instituts zufolge systematisch geringere Pegel aufweisen als beispielsweise Böden auf elastischer Schicht. Eine Verringerung dieser Pegel ließe sich laut Späh etwa durch schalldämpfende Hohlraumfüllungen oder die Masseerhöhung der lastverteilenden Schicht im Sportboden erreichen.

Schallbrücken vermeiden

Um die Lärmpegel beim Auftreffen von Bällen auf Wände oder Böden bzw. die Schwingung von Wänden und Böden zu minimieren, bietet sich die Installation entsprechender dämpfender Materialien an. Ziel hierbei ist es, die beiden schwingenden Massen – beispielsweise ein vorgelagerter Prallschutz und die dahintergelegene Wand – durch das dazwischenliegende Dämmmaterial voneinander zu entkoppeln – vergleichbar mit der Trittschalldämmung eines klassischen Fußbodens.Dadurch wird die Übertragung durch die ansonsten im Hohlraum befindliche Luft entscheidend reduziert. Bei korrekter Ausführung können so Schallbrücken weitestgehend vermieden werden.

Bislang kommen hierfür meist Dämpfer auf Basis fossiler Rohstoffe zum Einsatz – in der Regel spezielle Schaumstoffe oder Produkte aus Mineralwolle. Mittlerweile hält der Markt hier aber auch bereits nachhaltigere Alternative auf Basis natürlicher nachwachsender Rohstoffe bereit, etwa aus Zellulose, Holzfasern, Hanf und anderen Pflanzen oder sogar Pilzmyzelen. Späh: „Generell kann festgestellt werden, dass sich auch mit natürlichen Materialien gleiche oder ähnliche schallabsorbierende Eigenschaften erreichen lassen. Damit steht aus akustischer Sicht dem Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen nichts im Wege. Daher liegt die zukünftige Aufgabe darin, aus diesen Materialien Schallabsorber zu entwickeln, die preislich konkurrenzfähig sind und die gegebenenfalls weitere für den sicheren Einsatz notwendige Eigenschaften aufweisen. Darunter fallen beispielsweise die Dauerhaftigkeit oder der Brandschutz. Hier gilt es noch Forschungsarbeit zu leisten, wie wir sie beispielsweise mit der Entwicklung von akustisch wirksamem Holzschaum anstreben.“ (Sportplatzwelt, 12.12.2023)

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