„Es wird selten auf eine gute Akustik geachtet“

Im Interview mit Sportplatzwelt spricht Dr. Moritz Späh, Gruppenleitung Raumakustik aus der Abteilung Akustik am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, über die Rolle der Raumakustik bei der funktionellen und gesundheitsfördernden Planung von (Schul-)Sporthallen.

Dr. Moritz Späh
Dr. Moritz Späh Bild: Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP
Sportplatzwelt: Welche negativen gesundheitlichen Auswirkungen können aus einer schlechten Raumakustik resultieren?
Späh: Beim Bau oder bei der Sanierung von Sport- und Schwimmhallen wird selten explizit auf eine gute Akustik geachtet. Die Nachhallzeiten sind in der Regel (viel) zu lang, denn es fehlen schallabsorbierende Oberflächen. Die Nachhallzeit beschreibt die Halligkeit des Raums und bezeichnet die Dauer, die ein Geräusch benötigt, um nach dem Abschalten um 60 dB abuzfallen. Die Nachhallzeit wird in Sekunden gemessen. Ist sie zu lang, wird einerseits die Sprachverständlichkeit stark eingeschränkt, andererseits kann es in den Hallen sehr laut werden.

Verstärkt wird dieses Problem durch den Lombard-Effekt. Demnach sprechen Personen bei schlechter Sprachverständlichkeit immer lauter, so dass sich die Pegel ständig weiter hochschaukeln. Die Folge sind viel zu hohe Schallpegel, die in Sport- und Schwimmhallen die Kommunikation erschweren, so dass beispielsweise die Unfallgefahr steigt. Die Pegel erreichen dabei auch Werte, die über eine typische Expositionszeit hörschädigend wirken können. Für Lehrpersonal und Schüler ergibt sich zudem eine hohe Belastung der Stimme. Das kann zu Stimmproblemen, schlimmstenfalls sogar zur Erkrankung des Stimmapparats und somit zum Ausfall von LehrerInnen und TrainerInnen führen.

Sportplatzwelt: Die Bewertung als störend empfundener Lärmpegel ist mitunter sehr subjektiv. Inwieweit lässt sich dieses subjektive Empfinden überhaupt objektiv bewerten?
Späh: : Das Empfinden von Störung durch verschiedene Geräuschquellen kann durchaus unterschiedlich sein, die dauernde Belastung durch zu hohe Schallpegel und schlechte Sprachverständlichkeit dagegen weniger. In vielen Fällen wird die Problematik jedoch in jüngeren Jahren weniger bemerkt. Mit der Dauer der Belastung, zum Teil auch über Jahre, werden die negativen Folgen immer klarer und entsprechend auch besser wahrgenommen. Grundsätzlich kann das subjektive Empfinden mittels psychoakustischer Tests und Befragung der betroffenen Personen objektiviert und gemessen werden. Hierzu stehen standardisierte Tests und Fragebögen zur Verfügung, die die subjektive Belastung durch Lärm messbar machen.

Sportplatzwelt: In welchem Umfang lässt sich die Raumakustik überhaupt nachträglich verbessern?
Späje: Die nachträgliche Verbesserung der Raumakustik, d.h. die zusätzliche Ausstattung des Raumes mit schallabsorbierenden Flächenbekleidungen bzw. Materialien ist nicht ganz einfach, denn Sporthallen haben ein großes Volumen und bedürfen daher einer größeren Fläche von absorbierenden Materialien bzw. Oberflächen, um spürbare Verbesserungen zu erreichen. Mögliche Maßnahmen können z.B. der Austausch der handelsüblichen Trennvorhänge durch schallabsorbierende sein. Das Fraunhofer IBP hat jüngst einen breitbandig schallabsorbierenden und schalldämmenden Trennvorhang entwickelt, der bereits patentiert und nunmehr in realen Hallen verbaut werden soll. Darüber hinaus können gängige Prallwände durch hoch absorbierende ersetzt werden. Die zusätzliche Anbringung von Schallabsorbern oberhalb der Prallwände, an der Decke oder der Einsatz von schallabsorbierenden Stoffen als Vorhang oder als Akustiksegel können die Nachhallzeiten und Pegel im Raum senken.

Sportplatzwelt: Zwar kann durch schallabsorbierende Einbauten bereits eine gewisse Verbesserung der Raumakustik erzielt werden, welchen Stellenwert sollte die Raumakustik aber bereits in frühen Projektphasen eines Neubauprojekts einnehmen – beispielsweise hinsichtlich Raumgeometrie und -aufteilung?
Späh: In der Regel ist die Raumgeometrie und -aufteilung durch die Nutzung der Hallen bzw. durch die Gestaltungswünsche festgelegt. Abgesehen von extremen Raumgeometrien lässt sich eine gute Raumakustik in den meisten Hallen erreichen, wenn die notwendigen absorbierenden Oberflächen an den richtigen Stellen in frühen Projektphasen eines Neubaus eingeplant werden. Die frühzeitige Berücksichtigung der Akustik ist notwendig, da viele Maßnahmen für eine gute Akustik nicht oder nur sehr schwer und teuer nachgerüstet werden können. Eine frühzeitige Berücksichtigung der Akustik ist dagegen eine Chance, mit keinem oder geringem zusätzlichen finanziellen Aufwand von Anfang an eine gute Akustik zu planen und diese auch zu erreichen.

Sportplatzwelt: Eine häufig unterschätzte Lärmquelle ist der Sportboden. Inwieweit unterscheiden sich hier einzelne Systeme und welchen Einfluss sollten die akustischen Eigenschaften auf die Wahl eines Sportbodens nehmen?
Späh: Die Schallabstrahlung von Sportböden kann sich nach unseren Untersuchungen bei standardisierter Anregung um bis zu 4 dB im Summenpegel unterscheiden. Dies ist insoweit relevant, dass die Prallgeräusche von Bällen im Sportunterricht erhebliche Pegel verursachen und dass auch die Trittgeräusche beim Rennen von Personen hinzukommen. Da der Sportboden eine große Fläche in Sporthallen aufweist, können diese Geräusche, wie für uns alle hinlänglich bekannt, sehr laut sein. Böden auf elastischer Konstruktion ergaben bei einer Untersuchung systematisch geringere Pegel als Böden auf elastischer Schicht. Eine schalldämpfende Hohlraumfüllung trägt zur Minderung der Pegel bei, ebenso die Masseerhöhung der lastverteilenden Schicht im Sportboden. Weiterhin können Sportböden im tiefen Frequenzbereich eine nicht zu vernachlässigende Schallabsorption aufweisen. Da sich die Konstruktionen der Sportböden weiterentwickeln, sollte die akustische Wirkung von Sportböden mit genormten Verfahren untersucht werden, so dass objektive Vergleiche und die Auswahl von akustisch vorteilhaften Sportböden möglich sind. An konkreten Vorschlägen für ein Messverfahren arbeiten die Forschenden am Fraunhofer IBP.

Sportplatzwelt: Als akustisch dämpfende Materialien – beispielsweise in Hohlräumen in Wänden und Böden – kommen meist fossile Materialien in Form von Schaumstoffen oder Mineralwolleprodukten zum Einsatz. Können mit nachhaltigen Alternativen aus natürlichen Rohstoffen ähnliche Ergebnisse erzielt werden?
Späh: Generell kann festgestellt werden, dass sich auch mit natürlichen Materialien gleiche oder ähnliche schallabsorbierende Eigenschaften erreichen lassen. Damit steht aus akustischer Sicht dem Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen nichts im Wege. Daher liegt die zukünftige Aufgabe darin, aus diesen Materialien Schallabsorber zu entwickeln, die preislich konkurrenzfähig sind und die gegebenenfalls weitere für den sicheren Einsatz notwendige Eigenschaften aufweisen. Darunter fällt z.B. die Dauerhaftigkeit, der Brandschutz, etc. Hier gilt es noch Forschungsarbeit zu leisten, wie wir sie z.B. mit der Entwicklung von akustisch wirksamen Holzschaum anstreben. (Sportplatzwelt, 03.05.2023)

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