Nachhaltigkeitsziele zur Weiterentwicklung von Sportanlagen

Ein Gastbeitrag von Dr.-Ing. Jutta Katthage vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) über Qualitätsziele zur Steigerung der Nachhaltigkeit von Sportanlagen und die Implikation von Bewertungskriterien in der Praxis.

Nachhaltigkeit stellt ein wichtiges Leitbild für eine zukunftsorientierte Entwicklung von Sportanlagen dar. So befasst sich u. a. der Beirat „Umwelt und Sport“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie die Expertengruppe „Green Sport“ der europäischen Kommission mit nachhaltigen Sportanlagen.

Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) hat drei Ansätzen zur Förderung der Nachhaltigkeit von Sportanlagen veröffentlicht:

  • „Gesellschaftlicher Nutzen von nachhaltigen Sportfreianlagen: Indikatoren für normierte und wettkampforientierte Anlagen im Bestand“ (Katthage, 2023 in Veröffentlichung),
  • „Nachhaltige Sportfreianlagen: Ansätze zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung auf Sportfreianlagen“ (Katthage und Thieme-Hack, 2017) und
  • „Nachhaltiger Sportstättenbau: Kriterien für den Neubau nachhaltiger Sporthallen“ (Eßig et al., 2015).

Nachhaltiges Handeln bedeutet dabei, dass ökologische, ökonomische und soziokulturelle Gesichtspunkte gleichberechtigt zu berücksichtigen sind, um nachfolgenden Generationen eine intakte Umwelt und gleiche Lebenschancen hinterlassen zu können (siehe Abbildung 1).

Bild: Sportplatzwelt (in Anlehnung an: PECO-Institute)

Im Folgenden listet Sportplatzwelt einige der wichtigsten Labels, Siegel und Zertifizierungen, mit denen sich Kommunen und Vereine bei nachhaltigen Bauprojekten, dem nachhaltigen Betrieb und der nachhaltigen Beschaffung von Baumaterialien im Alltag konfrontiert sehen können.

Der Ursprung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ wird Hans Carl von Carlowitz zugeschrieben, der eine kontinuierliche beständige und nachhaltige Nutzung in der Forstwirtschaft forderte, indem „nicht mehr Holz geschlagen werden soll[te], als nachwächst“ (Kaufmann, 2004, S. 174). Eine nachhaltige Forstnutzung führte zu neuen Qualitätsstandards und sollte der Bevölkerung ökonomischen Aufschwung bringen (Kaufmann, 2004, S. 174). Die Verwendung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ orientierte sich dabei an einem Leitbild für die Zukunft, in dem Prävention, Vorsorge und Vorbeugung im Vordergrund standen.

„Während präventives Handeln Schadensfälle verhindert und, falls sie eintreten, den Schaden begrenzen soll, stellt nachhaltiges Handeln darauf ab, natürliche und soziale Prozesse andauern[d] und möglichst ressourcenschonend wachsen zu lassen“ (Kaufmann, 2004, S. 180).

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Qualitätsziele zur Steigerung der Nachhaltigkeit von Sportanlagen

Die Leitfäden von Katthage und Thieme-Hack (2017) sowie von Eßig et al. (2015) arbeiten entsprechend des „Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB)“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen mit sechs Qualitäten.

Die Qualitäten fassen definierte Ziele zur Steigerung der Nachhaltigkeit, den sogenannten Kriterien, zusammen. Hierbei werden die drei Qualitäten Ökologie, Ökonomie und Soziales – entsprechend der drei Säulen der Nachhaltigkeit – durch drei Querschnittsfunktionen Technik, Prozess und Standort ergänzt.

Im Bewertungssystem zur Nachhaltigkeit von Sportfreianlagen (Katthage und Thieme-Hack, 2017) wird in der ökologischen Qualität vor allem die Ressourcenschonung von Wasser, Energie und Baustoffen sowie der Erhalt und die Förderung der Biodiversität bewertet. Hierunter fallen auch Maßnahmen zum klimaangepassten Bauen und Betreiben von Sportfreianlagen sowie die Bewertung der Flächeneffizienz.

Gesundheitsförderung, soziale Aspekte und mehr: Multi-Sport-Anlagen bieten einen vielfältigen gesellschaftlichen Nutzen.
Gesundheitsförderung, soziale Aspekte und mehr: Multi-Sport-Anlagen bieten einen vielfältigen gesellschaftlichen Nutzen. Bild: Sportplatzwelt

Die Berechnung der Lebenszykluskosten mit den Herstell-, Instandhaltungs- und Rückbaukosten gehört zur ökonomischen Qualität. Aus den Lebenszykluskosten lassen sich wiederum die Kosten pro Spielstunde ermitteln, die auch bei der Wahl des Sportbodens entscheidend sein können.

Die sozial-sportfunktionale Qualität beinhaltet Aspekte zur Gesundheit, zum Komfort und zur Nutzerfreundlichkeit, z. B. zum barrierefreien Bauen und zur Erreichbarkeit per Fuß oder mit dem Fahrrad. Bewertet werden (nach Katthage 2022, S. 55) auch die Nutzbarkeiten der Sportflächen hinsichtlich der:

  • Mehrfachnutzbarkeit: Nutzung durch mehrere Sportarten,
  • Multifunktionalität: außersportliche Nutzungen, z. B. für Veranstaltungen und
  • Multicodierung: Maßnahmen zur Klimaanpassung.

In der technischen Qualität werden u. a. die Auswahl von nachhaltigen Bauweisen und -stoffen sowie die Anforderungen an die Sportfunktionalität bewertet. Die Analyse der einzelnen Lebenszyklusphasen einschließlich der Erstellung eines Instandhaltungskonzepts entsprechend eines Managementansatzes gehört zur Prozess-Qualität. In der Standort-Qualität wird die Erreichbarkeit der Sportfreianlage mit verschiedenen Verkehrsmitteln sowie die Auswirkungen auf das Umfeld, z. B. Lärmemissionen, ermittelt.

Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Nutzen von bestehenden Sportanlagen

Einen Ansatz zur Bewertung der Nachhaltigkeit von bestehenden Sportfreianlagen hat Katthage (2022) in ihrer Dissertation dargelegt. Es wurde erstmals ein System zur Bewertung der Nachhaltigkeit von bestehenden Sportfreianlagen entwickelt, welches auch den gesellschaftlichen Nutzen nach einem erweiterten Konzept der Ökosystemleistungen ausweist.

Das Bewertungssystem zur Nachhaltigkeit von bestehenden Sportfreianlagen besteht aus drei Clustern und 17 Merkmalen (siehe Tabelle 1). Die Cluster entsprechen dabei den Qualitäten des BNB und die Merkmale den Kriterien. Eine Neubezeichnung war notwendig, da die Merkmale aus:

  1. Teilkriterien vorhandener Kriterien-Steckbriefe bestehen, z. B. Katthage und Thieme-Hack (2017) oder BNB (2016),
  2. teilweise aus Kriterien mehrerer Bewertungssysteme neu zusammengesetzt wurden, z. B. Katthage und Thieme-Hack (2017), FLL (2018) oder BNB (2016), oder
  3. aus der Literaturanalyse (Katthage, 2022b) neu gebildet wurden.

Tabelle 1: Bewertungssystem für bestehende, nachhaltige Sportfreianlagen.
Tabelle 1: Bewertungssystem für bestehende, nachhaltige Sportfreianlagen. Bild: Katthage, 2022b, S. 24

Aus den Merkmalen des Bewertungssystems und den Anforderungen von Fachkundigen, die in einer Expertenbefragung erhoben wurden, sind Indikatoren zur Entwicklung von bestehenden Sportfreianlagen hinsichtlich der Steigerung der Nachhaltigkeit und der Förderung des gesellschaftlichen Nutzens herausgearbeitet worden.

Bestehende Sportfreianlagen erfüllen einen gesellschaftlichen Nutzen, indem sie neben der Sportnutzung weitere Funktionen für die Gesellschaft übernehmen. Hierzu gehören (nach Kowarik et al. 2016, S. 22) entsprechend dem Konzept der Ökosystemleistungen:

  • kulturelle Leistungen, z. B. Barrierefreiheit oder öffentliche Zugänglichkeit;
  • Regulierungsleistungen, z. B. Klimaanpassungsmaßnahmen durch Grünflächen und Gehölze sowie
  • Versorgungsleistungen, z.B. Ressourcenschonung von Trinkwasser.

Das Konzept der Ökosystemleistungen ermittelt den Wert und die Leistungen der Natur für den Menschen. Um sportfunktionelle Aspekte zu berücksichtigen, hat Katthage (2022, S. 141) eine weitere Leistungskategorie zur Beurteilung der Sportfunktion, der Schutzfunktion und der technischen Funktion eingeführt. Dies war notwendig, da es sich bei bestehenden Sportfreianlagen um gebaute Objekte handelt. Entwicklungsziele der baulich funktionellen Leistungskategorie liegen in der Optimierung der Bauweisen und Baustoffe von Sportböden sowie in der Steigerung der Nutzbarkeiten von Sportflächen.

Ferner hat Katthage (2022, S. 144) drei Handlungsebenen zur Entwicklung von bestehenden Sportfreianlagen durch die Zuordnung der Indikatoren zu den Nutzenkategorien nach Staub et al. (2011, S. 10ff.) und den drei Säulen der Nachhaltigkeit herausgearbeitet (Tabelle 2). Die Handlungsebenen heißen: Gesundheit, Wirtschaftlichkeit sowie Sicherheit und biologische Vielfalt.

Tabelle 2: Gesellschaftlicher Nutzen der Indikatoren für nachhaltige Sportfreianlagen.
Tabelle 2: Gesellschaftlicher Nutzen der Indikatoren für nachhaltige Sportfreianlagen. Bild: Katthage, 2022b, S. 123

Anwendung der Indikatoren in der Praxis Sportböden sowie Sport- und Ergänzungsflächen bieten verschiedene Ansätze zur Steigerung der objektbezogenen Nachhaltigkeit und zugleich zur Förderung des gesellschaftlichen Nutzens durch Leistungsbeiträge für den Menschen. Mit den Indikatoren werden Nachhaltigkeitsziele zur Entwicklung von bestehenden Sportfreianlagen angeboten.

Hierbei geht es vor allem:

  • mit der Erreichbarkeit und der öffentlichen Nutzbarkeit um sportliche Aspekte als auch mit der Durchgehbarkeit und dem Umgang mit Lärmemissionen um städteplanerisch Auswirkungen, die auch durch die Wahl des Standorts und der Lokation beeinflusst werden.um eine hohe Kenntnis über die eingesetzten Baustoffe sowie um ressourcenschonende Bauweisen der Sportböden während des Lebenszyklus einschließlich des Rückbaus und des Recyclings.
  • um die Erweiterung der sportlichen Nutzbarkeiten und der ökologischen Aufwertung der Ergänzungsflächen, so dass der Flächenverbrauch reduziert und Maßnahmen zur Klimaanpassung sowie zur Biodiversität gefördert werden.
  • der gesellschaftliche Nutzen von bestehenden Sportfreianlagen liegt zum einen in der Gesundheitsförderung, indem eine vielfältige sportliche Aktivität durch mehrfach nutzbare Sportböden gefördert wird. Zum anderen können mit multifunktionalen und weiteren Funktionen erfüllt werden, z. B. Beiträge zur Klimaanpassung oder eine Förderung der biologischen Artenvielfalt von Flora und Fauna in den Ergänzungsflächen.

Ergebnis

Bei der Entwicklung von bestehenden Sportfreianlagen müssen Anforderungen von verschiedenen Akteuren, wie Betreibende, Nutzende und Anwohnende, berücksichtigt werden.

Diese Entscheidungen betreffen im Regelfall mehrere Planungsebenen, wie die Objektplanung mit der Bautechnik, die Sportentwicklungsplanung mit der Bestands-Bedarfs-Bilanzierung und die Stadtplanung mit den Konzepten und Strategien für die Gesellschaft. Im Ergebnis erhalten Entscheidende mit der Systematik zur Steigerung der Nachhaltigkeit und zur Förderung des gesellschaftlichen Nutzens von bestehenden Sportfreianlage eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Entscheidungsfindung.

So können bestehende Sportfreianlagen langfristig hinsichtlich der Aspekte Ökologie, Ökonomie und Soziales entwickelt werden und zugleich Beiträge zum menschlichen Wohlergehen erfüllen. Sportfreianlagen fördern die Gesundheit einschließlich der Inklusion und Integration, die Wirtschaftlichkeit, die Sicherheit im Sinne von Klimaanpassung und Umweltgerechtigkeit sowie die biologische Vielfalt von Flora und Fauna.

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Titel: KOMPENDIUM NACHHALTIGKEIT
Veröffentlichungsdatum: April 2023
Autor: Stadionwelt / Sportplatzwelt
Sprache: Deutsch
Format: DIN A4
Umfang: 148 Seiten

(Sportplatzwelt, 03.05.2023)

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