„Unter intensiver Bürgerbeteiligung entstanden“

Im Interview spricht Martina Hartmann, Projektkoordinatorin im Planungs- und Umweltamt der Stadt Dorsten, über das integrierte Stadterneuerungsprogramm „Wir machen MITte“, mit dem zahlreiche neue Bewegungsangebote geschaffen wurden.

Martina Hartmann
Martina Hartmann Bild: Stadt Dorsten
Sportplatzwelt: Welche sportbezogenen Projekte wurden im Rahmen von „Wir machen MITte“ konkret realisiert und wie gestaltete sich die Finanzierung?
Hartmann: Über das Stadterneuerungsprogramm „Wir machen MITte – Die integrierte Entwicklung der Innenstadt Dorsten“ wurden auf Basis eines integrierten Handlungskonzepts seit 2016 insgesamt 30 Projekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 43 Millionen Euro in der Dorstener Mitte realisiert, der allergrößte Teil davon als Förderung finanziert von Land NRW, Bund und EU. Ohne die Unterstützung durch Fördermittel hätten diese Maßnahmen in der Form nicht umgesetzt werden können. Die Stadt Dorsten musste einen verhältnismäßig geringen Eigenanteil tragen.

Niedrigschwellige Sport- und Bewegungsangebote wurden bei vielen Maßnahmen berücksichtigt und umgesetzt. Insbesondere ist hier die Maßnahme „Spielflächen- und Bewegungsprogramm“ zu nennen. Hier sind die sogenannten Dorstener Runden entstanden, die über das gesamte Gebiet der Dorstener Innenstadt verteilt sieben Aktivpunkte miteinander verbinden und zum Laufen oder Gehen einladen. Die Runden bieten auf überwiegend bereits vorhandenen Wegen neue Bewegungsanreize und -angebote.

An den Aktivpunkten können auf unterschiedlichen Outdoor-Fitness-Geräten bestimmte Muskelgruppen, Beweglichkeit und Balance trainiert werden. Sie bieten allen Generationen sportliche Anreize und animieren auf einfache Weise zum Trainieren. Aber auch ein Kunstrasen-Bolzplatz sowie der Gesundheitspark mit Bewegungsangeboten für geheingeschränkte Menschen auf dem Außengelände des St. Elisabeth-Krankenhauses gehören zu den Aktivpunkten.

Im ebenfalls über „Wir machen MITte“ neugestalteten Bürgerpark Maria Lindenhof und am in der Nähe verorteten Gymnasium Petrinum wurden weitere niedrigschwellige Sport- und Bewegungsangebote geschaffen, welche die Pausengestaltung der SchülerInnen sowie die Freizeitangebote am Wesel-Datteln-Kanal deutlich verbessern.

Dazu gehören unter anderem Parcours- und Calisthenics-Infrastrukturen sowie ein Multifunktionsportfeld mit Sitztribüne, auf dem neben Fuß- und Handball auch Volleyball und Badminton gespielt werden kann. Im Bürgerpark sind außerdem ein (Wasser) Spielplatz und ein kleiner Bolzplatz entstanden. Die angelegten Wege wurden für LäuferInnen und Athletinnen und Athleten mit Streckenangaben markiert. Am Treffpunkt Altstadt ist eine neue 575 m² große Skateanlage entstanden. Diese wurde unter Beteiligung von Skatern geplant und erfreut sich seit ihrer Eröffnung im Februar 2022 großer Beliebtheit. Dort ist immer etwas los und es werden auch Kurse zum Erlernen des Skatens angeboten.

Die Skateanlage ist nicht nur Außenfläche für die offene Jugendarbeit des Treffpunkt Altstadt, sondern jederzeit öffentlich nutzbar. Der bestehende Klettergarten soll in den nächsten Monaten noch durch ergänzende Kletterelemente aufgewertet werden.

In der Fußgängerzone sowie entlang einer neu gestalteten Grün- und Wegeverbindung laden einzelne Spielpunkte (u. a. zwei Trampoline und Balancierelemente) zum Bewegen ein und tragen zur Vernetzung der Bewegungsangebote bei.

„Die Stadt Dorsten reagiert mit den Maßnahmen auf den allgemeinen Wandel des Sportverhaltens.“

Sportplatzwelt: Inwiefern reagiert die Stadt Dorsten damit auf den Wandel des Sportverhaltens und die Auswirkungen der Corona-Pandemie? Welche Beobachtungen konnten Sie in diesem Zusammenhang machen?
Hartmann: Die Konzept- und Planungsphase für „Wir machen MITte“ begann bereits im Jahr 2015, sodass die darüber umgesetzten Maßnahmen bereits vor der Corona-Pandemie beschlossen und geplant wurden. Auch das daraus hervorgegangene Spielflächen- und Bewegungsraumkonzept stammt aus dem Jahr 2018. Insofern reagiert die Stadt Dorsten mit den Maßnahmen nicht unmittelbar auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie, dennoch profitieren die Bürgerinnen und Bürger in diesen Zeiten von der Vielzahl der Sportangebote im Freien, außerhalb geschlossener Räumlichkeiten, besonders.

In erster Linie reagiert die Stadt Dorsten mit den Maßnahmen auf den allgemeinen Wandel des Sportverhaltens und auf die zuvor im Innenstadtbereich nicht ausreichend vorhandenen und zum Teil nicht mehr zeitgemäßen Sport- und Bewegungsangebote. Dass sich die Nutzung von Sportangeboten verändert hat, haben wir bereits mitbedacht, als wir 2018 das Spielflächen- und Bewegungsraumkonzept als Grundlage für Wir machen MITte erarbeitet haben. Wörtlich heißt es darin:

„Spiel und Bewegung haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Durch das Modell der Ganztagsschule haben sich bei Jugendlichen und Kindern Freizeitschwerpunkte und -zeiten verschoben, es wird virtuell im Haus oder mit dem Smartphone im Gelände gespielt, es entstehen immer wieder neue Spiel- und (Trend-)Sportarten – und doch bleiben einige Dinge gleich spannend und unabdingbar für eine gesunde motorische und kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen: rennen, balancieren, hüpfen, schaukeln, verstecken. Jede Mauer, Rasen- oder Straßenfläche ist ein potentieller Spiel- und Bewegungsort. Darüber hinaus suchen immer mehr aktive Erwachsene und ‚Best Ager‘ (60+) ein attraktives Angebot für Bewegung und Sport im öffentlichen Raum, um sich fit und gesund zu halten.“

„Als niedrigschwellige Angebote sind alle neu gebauten Spiel- und Sportflächen öffentlich nutzbar.“

Sportplatzwelt: Inwieweit setzt die Stadt Dorsten beim Betrieb einzelner Anlagen auf Kooperationsmodelle – etwa mit örtlichen Sportvereinen? Werden die Anlagen im Betrieb betreut?
Hartmann: Im Sinne der integrierten Stadterneuerung sind die allermeisten „Wir machen MITte“-Projekte unter intensiver Bürger- und Akteursbeteiligung entstanden. So waren KooperationspartnerInnen vielfach von Anfang an – bereits in der Konzept- und Planungsphase – eingebunden und begleiten die Maßnahmen weiterhin.

Beispielsweise wurden die Dorstener Runden gemeinsam mit Laufvereinen entwickelt, der Gesundheitspark wird in Kooperation mit dem Krankenhaus, der Physioabteilung und entsprechenden Vereinen genutzt. Es gibt eine Nutzungsvereinbarung mit dem Krankenhaus, die auch die Pflege und Unterhaltung der Flächen und Geräte regelt.

Im Bereich der an die Schulen angrenzenden neuen Sportfelder (Bolzplatz an der Agathaschule und Multifunktionsportfeld am Gymnasium Petrinum) stehen diese Sportflächen im Vormittagsbereich den Schulen zu Verfügung und sind im Nachmittagsbereich öffentlich nutzbar. Auch Vereine haben die Möglichkeit, das Multifunktionssportfeld im Rahmen ihrer Vereinsarbeit zu nutzen. Im Bürgerpark hat sich ein Verein unter Führung des sogenannten Parkbürgermeisters gegründet, der alle Anlagen betreut und bespielt.

Als niedrigschwellige Angebote sind alle neu gebauten Spiel- und Sportflächen öffentlich nutzbar. Die Pflege und Unterhaltung der Flächen sowie der Sportgerät obliegt grundsätzlich der städtischen Grünflächenabteilung, soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen wurden.

„Übergeordnetes Leitziel war es, zeitgemäß vernetzte, nachhaltige Bewegungs- und Spiel-Angebote in Dorsten zu entwickeln.“

Sportplatzwelt: Inwieweit geht die Planung solcher Angebote über die klassische Sportentwicklungsplanung hinaus?
Hartmann: Als Grundlage für die Entwicklung der Spiel- und Sportflächen wurde im Rahmen der integrierten Stadterneuerungsmaßnahme im Jahr 2018 zunächst ein Spielflächen- und Bewegungsraumkonzept für das gesamte Innenstadtgebiet erarbeitet. Damit ist eine fundierte Grundlage vorhanden, um bestehende Angebote zu optimieren, neue Spiel-, Sport-, Bewegungs- und Aufenthaltsangebote zu schaffen und die Orte als Alltags- und Freizeitorte über sichere Wegeverbindungen zu vernetzen.

Übergeordnetes Leitziel war es, zeitgemäß vernetzte, nachhaltige Bewegungs- und Spiel-Angebote in Dorsten zu entwickeln. Das umfassende Konzept ist unter intensiver Beteiligung u. a. von Kindern und Jugendlichen mittels Streifzügen etc. entstanden. Nach einer Analyse der vorhandenen Spiel- und Freiräume wurden konkrete Maßnahmen erarbeitet. Alle im Rahmen von „Wir machen MITte“ umgesetzten Maßnahmen im Spiel- und Sportbereich sind auf Basis des Konzeptes entstanden, z.T. in etwas abgewandelter Form bzw. als Bestandteile von größeren Baumaßnahmen, wenngleich nicht alle im Konzept vorgeschlagenen Maßnahmen im Zuge von „Wir machen MITte“ umgesetzt werden konnten.

Die klassische Sportentwicklungsplanung umfasst meiner Kenntnis nach eher die klassischen Sportanlagen, vereinsgebundene Sportangebote sowie den Schulsport, also eher die sportlichen Pflichtaufgaben einer Stadt, während über das Förderprogramm niedrigschwellige zusätzliche Angebote geschaffen werden konnten.

„In Punkto Nachhaltigkeit galt es, möglichst wenige Flächen neu zu versiegeln.“

Sportplatzwelt: Welche Rolle spielten und spielen die Aspekte Digitalisierung und Nachhaltigkeit bzw. Umweltschutz beim Bau und Betrieb der neuen Sport- und Bewegungsangebote?
Hartmann: Die Dorstener Runden sind mit Informationsstelen ausgestattet, die mit QR-Codes versehen sind. Über diese gelangt man auf eine ergänzende Internetseite mit weiterführenden Informationen zu den Runden und Aktivpunkten. Dort sind beispielsweise auch GPX-Dateien zu den Dorstener Runden zu finden, die in die gängigen Sport- und Bewegungs-Apps geladen werden können.

Bei „Wir machen MITte“ wurde insgesamt angestrebt die Maßnahmen ökologisch verträglich umzusetzen und auch Artenschutzmaßnahmen und ergänzende Bepflanzungen zu integrieren. So sind, wenn auch nicht unmittelbar an den Spiel- und Sportflächen, beispielsweise Nisthilfen für Fledermäuse und Eisvögel entstanden, Blühwiesen angelegt oder der Schölzbach ökologisch aufgewertet worden, um nur einige Aspekte zu nennen. In Punkto Nachhaltigkeit galt es, möglichst wenige Flächen neu zu versiegeln und die Angebote auf bereits bestehenden Flächen zu bauen.

Insgesamt wurde darauf geachtet, bestehende Begrünung zu erhalten und die neu entstandenen Flächen und Angebote mit attraktiver Begrünung anzureichern. Zudem wurden möglichst lang haltende Materialien verwendet und nicht allzu pflegeintensive Begrünung umgesetzt. (Sportplatzwelt, 23.11.2022)

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