„Die Auswirkungen von Freizeitlärm sind bislang wenig erforscht“

Im Interview spricht Thomas Myck, Leiter des Fachgebiets „Lärmminderung bei Anlagen und Produkten, Lärmentwicklung“ beim Umweltbundesamt, über die Lärmemissionen von Freizeit- und Sportanlagen im öffentlichen Raum.

Thomas Myck
Thomas Myck Bild: Umweltbundesamt
Sportplatzwelt: Welche gesundheitlichen und psychischen Gefahren birgt die Lärmbelastung durch Sport- und Freizeitanlagen im Allgemeinen? Welche Rolle nehmen dabei Sport- und Freizeitanlagen im gesamturbanen Kontext ein?
Myck: Das Spektrum an Outdoor-Freizeitaktivitäten wird immer vielfältiger. Damit verbunden ist jedoch Lärm, der wiederum das Ruhebedürfnis anderer Menschen stört. Auch die aktuelle Entwicklung der zunehmenden Verdichtung des Wohnraums, insbesondere in Ballungsräumen, führt zu geringeren Abständen zwischen Wohn- und Freizeitnutzung. Hinzu kommt, dass Freizeitanlagen gerade dann intensiv genutzt werden, wenn sich andere Menschen entspannen möchten.

Freizeitlärm wird von Betroffenen als belästigend empfunden. Wie stark sich die Menschen in Deutschland durch Lärm belästigt fühlen, kann anhand der regelmäßig durchgeführten, repräsentativen Umfragen des Umweltbundesamts beurteilt werden. Nach der Untersuchung aus dem Jahr 2020 fühlen sich 76 % der Befragten in ihrem Wohnumfeld durch Straßenverkehr belästigt. An zweiter Stelle der verkehrsbedingten Lärmbelästigungen steht der Luftverkehr: Der Fluglärm stört 43 % der Bevölkerung. Bundesweit fühlen sich 34 % durch Schienenverkehr beeinträchtigt. Der Umfrage zufolge zählen aber auch Geräusche der Nachbarn zu den bedeutenden Ursachen der Lärmbelästigung. So fühlten sich dadurch 57 % der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigt.

Die Gründe für Nachbarschaftslärm sind vielfältig und umfassen auch den Lärm durch Freizeitaktivitäten. Ob Menschen diese Aktivitäten als störend wahrnehmen, hängt nicht allein von den Geräuschen der Freizeitanlage ab, sondern wird auch von zahlreichen nicht-akustischen Faktoren, wie z. B. der persönlichen Einstellung zu einer Geräuschquelle und der individuellen Empfindlichkeit (Disposition), beeinflusst. Im Gegensatz zum Verkehrslärm sind die Auswirkungen von Freizeitlärm auf den Menschen bislang wenig erforscht. Das Umweltbundesamt hat deshalb ein Forschungsvorhaben zu dieser Thematik vergeben. In dem Vorhaben sollen in Städten übliche Lärmkonflikte bei der Ausübung von Freizeitaktivitäten identifiziert, bewertet und Konfliktvermeidungsstrategien und Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Dabei soll auch untersucht werden, warum sich Personen durch Freizeitlärm belästigt fühlen. Hierzu wird eine umfangreiche Befragung von Anwohnenden von Freizeitanlagen durchgeführt. Die Forschungsergebnisse werden voraussichtlich Mitte 2023 vorliegen.

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Sportplatzwelt: Anders als Sportangebote des organisierten Vereinssports hängt die Lärmentwicklung bei öffentlich zugänglichen Anlagen stark vom Nutzerverhalten und der Nutzungsintensität ab. Auf welcher Basis können Kommunen die zu erwartende Lärmentwicklung dennoch bereits im Vorfeld möglichst genau einschätzen?
Myck: Freizeitlärm ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Ausführliche Hinweise zur Beurteilung von Freizeitlärm enthält die Freizeitlärmrichtlinie, die die Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegeben hat. Im konkreten Fall ist es zweckmäßig, sich beim Umweltamt des jeweiligen Bundeslandes über die landesspezifischen Regelungen zum Freizeitlärm zu informieren und mögliche Minderungsmaßnahmen zu erörtern.

Sportplatzwelt: Welchen Stellenwert sollten Lärmschutzgutachten und die Prognostizierung der zu erwartenden Schallemissionen im Planungsprozess solcher Anlagen einnehmen? Können hier unter Umständen vergleichbare Projekte aus anderen Kommunen als Schablone dienen?
Myck: Für die Berechnung der Geräuschbelastung durch Freizeitanlagen sind solide Eingangsdaten notwendig. Das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat deshalb die sogenannte „Sächsische Freizeitlärmstudie“ durchgeführt. In der Studie wurden typische Emissionskenngrößen für Freizeitanlagen und -veranstaltungen ermittelt sowie Verfahren zur Berechnung der Geräuschbelastung durch Freizeitanlagen untersucht. Die Sächsische Freizeitlärmstudie sollte daher bei der Planung von Freizeitanlagen berücksichtigt werden.

In einer Umfrage hat das Umweltbundesamt ermittelt, durch welche Form von Lärm sich Personen im Jahr 2020 am meisten gestört gefühlt haben.
In einer Umfrage hat das Umweltbundesamt ermittelt, durch welche Form von Lärm sich Personen im Jahr 2020 am meisten gestört gefühlt haben. Bild: Umweltbundesamt

Sportplatzwelt: Für den Erfolg von Freizeit- und Trendsportanlagen im urbanen Raum ist ein zentraler Standort meist unabdingbar. Welche baulichen und betrieblichen Kontroll- und Regulierungsmöglichkeiten sehen Sie hier? Inwiefern kann der Lärmschutz auch nachträglich optimiert werden?
Myck: Die Möglichkeiten zur Vermeidung von Lärmkonflikten durch Freizeitaktivitäten sind häufig nur unzureichend bekannt. Im Rahmen des bereits erwähnten Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes soll deshalb auch ein Leitfaden für Städte und Kommunen sowie Anlagenbetreiber erstellt werden, der Handlungsoptionen zur Vermeidung und Bewältigung von Konflikten durch Freizeitlärm enthält.

Sportplatzwelt: Vor allem lärmintensive Anlagen wie z. B. Skateparks stoßen bei vielen Anwohnern zunächst auf Ablehnung. Wie können Kommunen hier die „Wogen glätten“?
Myck: Der Betrieb von Skateanlagen ist einer Studie des Beratungsbüros ACCON im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt untersucht worden. Der Bericht enthält auch Maßnahmen zur Minderung des Lärms, die bei der Planung solcher Anlagen beachtet werden sollten. In den Planungsprozess sollten auch die Anwohnerinnen und Anwohner einbezogen werden, weil sich dies positiv auf die Akzeptanz der Freizeitanlage auswirken kann.

Weiterführende Studien zu Lärmemissionen von Freizeitanlagen

Freizeitlärmrichtlinie der LAI
Die LAI hat eine gemeinsame Richtlinie zur Ermittlung und Bewertung von Freizeitlärm herausgegeben, die sich unter anderem immissionsschutzrechtlichen Grundsätzen, der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm befasst und verschiedene Szenarien immissionsschutzrechtlich bewertet. Die Richtlinie ist auf der Website der LAI abrufbar.

Sächsische Freizeitlärmstudie
Das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat in den Jahren 2002 bis 2008 die Lärmentwicklung zahlreicher Freizeit- und Trendsportanlagen gemessen, um Emissionskenngrößen für verschiedene Anlagetypen und Veranstaltungen zu ermitteln. Die Freizeitlärmstudie ist auf der Website des Landesamts abrufbar.

Studie zu Geräuschen von Trendsportanlagen
Gemeinsam mit dem schalltechnischen Beratungsbüro ACCON hat das Bayerische Landesamt für Umwelt in einer Studie u. a. Emissionsdaten verschiedener Ausstattungsobjekte in Skateparks ermittelt und Tipps für Prognoseberechnungen, schalltechnische Untersuchungen sowie Maßnahmen zur Lärmminderung zusammengefasst. Die Studie ist auf der Website des StMUV abrufbar.

Sportplatzwelt: Inwiefern nehmen Spielplätze und Anlagen, die speziell für Kinder und Jugendliche errichtet wurden, eine lärmschutzrechtliche Sonderrolle ein?
Myck: Die Geräusche, die von Kinderspielplätzen ausgehen, können zu Lärmkonflikten in der Nachbarschaft führen. Der Gesetzgeber hat im Jahr 2011 im Bundes-Immissionsschutzgesetz klargestellt, dass Geräuschemissionen von Kinderspielplätzen, Kindertageseinrichtungen und ähnlichen Einrichtungen keine schädliche Umwelteinwirkung darstellen und als sozial adäquates Verhalten zu tolerieren sind. (Sportplatzwelt, 19.08.2022)

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