Sportamtsreport 2022: Kommunale Sportstätteninfrastruktur

Im zweiten Teil des Sportamtsreports 2022 beschäftigt sich Sportplatzwelt unter anderem mit dem Sanierungsstau in der kommunalen Sportstättenlandschaft und wie Kommunen diesem durch gezielte Investitionen entgegenwirken wollen.

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Sportamtsreport 2022: Kommunale Sportstätteninfrastruktur
Im zweiten Teil des Sportamtsreports 2022 beschäftigt sich Sportplatzwelt unter anderem mit dem Sanierungsstau in der kommunalen Sportstättenlandschaft und wie Kommunen diesem durch gezielte Investitionen entgegenwirken wollen.

Sportamtsreport 2022: Corona und Sport
Im dritten Teil des Sportamtsreport 2022 beschäftigt sich Sportplatzwelt mit der Frage, inwiefern sich die Corona-Pandemie auf die tägliche Arbeit in der Sportverwaltung, den Sport an sich und die Digitalisierung ausgewirkt hat – und vor allem, ob die Maßnahmen im Kalenderjahr 2021 zu einer Verbesserung der Situation geführt haben.

Status Quo

Schätzungen des DOSB zufolge ist davon auszugehen, dass „mindestens zwei Drittel aller Sportstätten sich in kommunaler Verantwortung und über ein Viertel in Vereinsträgerschaft befindet.“ Kommunen sind somit weiterhin der größte Träger von Sportstätten in Deutschland. So wie den Vereinen die Aufgabe zuteil ist, Angebote zu schaffen, die der gesellschaftspolitischen und gesundheitlichen Bedeutung des Sports für die Gesamtbevölkerung Genüge tun, so sind es in diesem Zusammenhang überwiegend die Kommunen, die durch geeignete Investitionen dafür Sorge zu tragen haben, den Vereinen sowie ihren Bürgerinnen und Bürgern eine entsprechende ausreichende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Dass in der deutschen Sportstättenlandschaft vor allem im Bereich des organisierten Breitensports ein besonders hohes Defizit an geeigneten Sportstäten besteht, ist kein Geheimnis. So berichten auch der DOSB, der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund in ihrer Kurzexpertise „Bundesweiter Sanierungsstau öffentlicher Sportstätten“ von einem erheblichen Sanierungsstau öffentlicher Sportstätten in Deutschland: „Studie und Analysen bestätigen seit einigen Jahren, was Bürgerinnen und Bürger täglich erleben und sehen: In Deutschland besteht ein großer Substanzverlust der öffentlichen Infrastruktur wie z.B. Straßen, Schul- und öffentliche Gebäude etc. Dieser Sanierungsbedarf erstreckt sich auch auf den Bereich der Sportstätten, der zwar regelmäßig in den entsprechenden Veröffentlichungen berücksichtigt wird, jedoch in der Berichterstattung und in den politischen Debatten sowie Entscheidungen häufig hinter andere Investitionsbereiche (insbesondere Verkehrsinfrastruktur, Breitbandanbindung etc.) zurückfällt.“

Aufgrund eines fehlenden, seit Jahren vom DOSB und anderen Verantwortlichen des organisierten Sports und Städtebaus geforderten, zentralen Sportstättenkatasters lässt sich der tatsächliche Sanierungsstau, mit dem sich Kommunen und Vereine in Deutschland konfrontiert sehen, nach wie vor nur schätzen. Laut dem „KfW-Kommunalpanel“ des DIFU und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) liege der „wahrgenommene Investitionsrückstand der Kommunen im Bereich Sportstätten und Bäder“ bei rund 8,3 Mrd. Euro – Schulsportstätten nicht eingerechnet. Der 2016 veröffentlichte Bäderatlas der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen geht indes von einem Sanierungsstau in Höhe von 4,5 Mrd. Euro in der deutschen Bäderlandschaft aus. Auf Basis dieser Studien geht der DOSB aktuell von einem Sanierungsstau von rund 21 Mrd. Euro für Anlagen in kommunaler Trägerschaft (inklusive Schulsportstätten) aus. Zuzüglich des Sanierungsbedarfs vereinseigener Anlagen beziffert der DOSB den Sanierungsstau in der deutschen Sportstättenlandschaft auf insgesamt rund 31 Mrd. Euro.

Dieser Sanierungsstau bei Sportanlagen in kommunaler Trägerschaft macht sich auch im Sportamtsreport 2022 bemerkbar. Den Zustand ihrer Sportstätten bewerteten die Sportämter im Sportamtsreport insgesamt mit der Schulnote „befriedigend“ (2,95) – im Vergleich zum Vorjahresreport eine geringfügige, nicht-signifikante Verbesserung (Bewertung im Sportamtsreport 2021: 3,00). Hier zeichnet sich ähnlich wie im Vorjahr ein gewisser Trend ab, der nahelegt, dass der Sanierungsstau in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern meist deutlich stärker ausgeprägt bzw. stärker wahrgenommen wird. Während Sportämter aus Städten mit weniger als 50.000 Einwohnern den Zustand Ihrer Sportstätten im Schnitt mit der Schulnote 2,74 bewerteten (Sportamtsreport 2021: 2,88), gestaltet sich die Lage in Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern nur geringfügig schlechter – hier gaben die befragten Sportämter eine Durchschnittsbewertung von 2,83 an (Sportamtsreport 2021: 2,75). Am meisten macht sich der Sanierungsstau – wie im vergangenen Jahr auch – in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern bemerkbar: Sportämter aus diesen Städten bewerteten den Zustand ihrer Sportstätten im Schnitt nur mit der Schulnote 3,56 (Sportamtsreport 2021: 3,38). Nun könnte man also davon ausgehen, dass sich der Zustand der Sportstätten in Kleinstädten bis 50.000 Einwohner verbessert hat, während der Sanierungsstau in städtischen Sportstätten in großen und mittelgroßen Städten etwas zugenommen hat – die Veränderungen sind allerdings derart marginal, dass sich keine signifikanten Änderungen im Vergleich zum Vorjahresreport ergeben.

Hoffnung macht indes der jüngst verabschiedete Koalitionsvertrag, der ein besonderes Augenmerk nicht nur auf die gesellschaftliche Bedeutung des organisierten Breitensports sondern vor allem auf den nachhaltigen Bau und Betrieb legt.

Sanierung und Instandhaltung

Um dem Sanierungsstau entgegenzuwirken haben die Kommunen im Jahr 2021 im Schnitt 1.659.937 Euro in die Hand genommen. Gemeinden und Kleinstädte bis 100.000 Einwohner haben hierzu im Jahr 2021 im Schnitt 627.615 Euro in Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen investiert, Städte mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern durchschnittlich 881.704 Euro. Großstädte ab 100.000 Einwohnern investierten im vergangenen Jahr durchschnittlich 3.669.889 Euro in die Modernisierung und Instandhaltung ihrer Sportstätten. Entscheidend ist allerdings nicht nur der durchschnittliche Gesamtwert, sondern vor allem der Blick auf die einzelnen, tatsächlichen Maßnahmen: Die 2021 getätigten Investitionen reichen von Kleinstmaßnahmen mit Kosten in Höhe von 15.000 Euro bis hin zu großangelegten Sanierungsoffensiven mit Gesamtkosten von bis zu 20 Mio. Euro.

Hinzu kommen durchschnittlich 2.273.651 Euro, die im Kalenderjahr 2021 in den Neubau verschiedener kommunaler Sportstätten investiert wurden. Auch hier liegen die Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern mit durchschnittlichen Investitionen in Höhe von 4.437.571 Euro deutlich vor den Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern und den Städten mit bis zu 50.000 Einwohnern – diese haben im vergangenen Jahr im Schnitt 1.432.127 Euro investiert.

Ein Blick auf die investitionsstärksten Gewerke im vergangenen Jahr lässt dabei einen deutlichen erkennen: Wie bereits im Sportamtsreport 2021 landet die Technische Gebäudeausstattung (TGA) auf dem ersten Platz. Gründe hierfür sind neben der Anpassung an veränderte Anforderungen und Auflagen vor allem die Senkung der Betriebs- und Stromkosten. Ebenso häufig wurden Planungsleistungen als größter Kostenpunkt im vergangenen Jahr genannt – beispielsweise Ausgaben für Machbarkeitsstudien, Entwurfsplanungen und Standortbestimmungen. Des Weiteren nimmt der Austausch veralteter Beleuchtungssysteme durch moderne und energiesparende LED-Flutlichtsysteme für Sportplätze einen wesentlichen Anteil der kommunalen Investitionen im Jahr 2021 ein, dicht gefolgt vom Austausch veralteter Hallenbeleuchtung. Im Übrigen wurden der Neubau bzw. die Sanierung von Indoor- und Outdoor-Sportböden, die Sanierung bzw. der Neubau von Sanitäranlagen sowie diverse Maßnahmen im Bereich der Kunstrasenplätze als investitionsstärkste Gewerke im Jahr 2021 genannt.

Neubaumaßnahmen

Neugebaut wurden dabei in erster Linie Sporthallen: Kommunen, die im Jahr 2021 in den Neubau von Sportstätten investiert haben, haben unabhängig von ihrer Einwohnerzahl durchschnittlich 0,94 neue Sporthallen gebaut. Auf dem zweiten Rang landen Sportplätze (0,39 neue Sportplätze pro Kommune, die im Jahr 2021 in Neubauten investiert hat), Trendsportanlagen (0,39 Trendsportanlagen pro Kommune, die im Jahr 2021 in Neubauten investiert hat) und „Sonstige Sportstätten“ (0,33). Unter letztere fallen in der Regel Outdoor-Fitnessangebote, Bewegungsparcours oder Calisthenics-Anlagen.

Bei den neugebauten Sportplätzen handelt es sich in der Regel um Kunstrasenplätze. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen stellt der Bau eines Kunstrasenplatzes (in Kombination mit einer entsprechenden Flutlichtanlage) eine bewährte Möglichkeit dar, die Nutzungsintensität der vor allem in Großstädten knapp bemessenen Sportplatz-Kapazitäten deutlich zu erhöhen. Zum anderen stehen granulatverfüllte Kunstrasensysteme seit Beginn der ECHA-Mikroplastikdebatte im Jahr 2018 in der Diskussion. Eine endgültige Entscheidung ist zwar nach wie vor nicht gefallen, es ist aber mit einem EU-Verbot von solchen granulatverfüllten Plätzen zu rechnen. Viele Kommunen befassen sich deshalb bereits jetzt mit Alternativen und setzen bei großangelegten Sanierungen oder Neubaumaßnahmen bereits auf unverfüllte Systeme oder umweltfreundlichen Infills.

Die Schaffung neuer Trendsportangebote und den bereits erwähnten Outdoor-Fitnessangeboten im öffentlichen Raum ist hingegen die Folge einer Entwicklung, die sich nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie in der deutschen Sportstättenlandschaft bemerkbar macht. Die Nachfrage nach Bewegungsangeboten im öffentlichen Raum und niedrigschwelligen Angeboten für den Individualsport nimmt vielerorts – vor allem im urbanen Raum – zu, so bereits der Tonus im Sportamtsreport 2021. Auch im vergangenen Jahr hat sich dieser Trend fortgesetzt.

Förderung

„Der milliardenschwere Sanierungsbedarf ist ein zentraler Engpassfaktor der Sportentwicklung und beeinträchtigt die Lebensqualität vor Ort sowie den Schulsport“, heißt es in der Kurzexpertise des DOSB, Deutschen Städtetags und DStGB. „Eine mehrjährige Sanierungsoffensive ist daher notwendig. Die Kommunen und Vereine sind finanz- und förderpolitisch in die Lage zu versetzen, diesem Investitionsbedarf nachzukommen. Bund und Länder sind daher aufgefordert, mehr Investitionsmittel für kommunale und vereinseigene Sportstätten zur Verfügung zu stellen bzw. zu ermöglichen.“

Auch wen Bund und Länder ihre Anstrengungen, diesen Forderungen nachzukommen, durch die Schaffung neuer Förderprogramme auf Landes- und Bundesebene sowie einen stetigen Anstieg der beispielsweise über die Bund-Länder-Investitionspakte der einzelnen Bundesländer ausgegebenen Zuschüsse in den vergangenen Jahren verschärft haben, erachten die meisten Kommunen die ihnen über diese Programme zur Verfügung stehenden Mittel weiterhin als nicht ausreichend, um den Sanierungsstau an kommunalen Sportstätten adäquat zu kompensieren. Eine Wahrnehmung, die sich trotz neugeschaffener Förderprogramme zu verschiedenen Gewerken und der (geplanten) Entbürokratisierung vieler Förderrichtlinien, im Vergleich zum Vorjahr noch einmal verschlechtert hat. Bewerteten die Kommunen die ihnen zur Verfügung stehenden Fördermittel im Jahr 2020 noch mit einer durchschnittlichen Schulnote von 3,5, sinkt dieser Wert im Sportamtsreport 2022 auf die Schulnote 3,62. Viele Kommunen mussten die Finanzierung ihrer Neubau- und Sanierungsmaßnahmen selbst in die Hand nehmen und gänzlich ohne Bundes- und Landesfördermittel auskommen, weshalb der durchschnittliche Anteil von Fördermitteln an den Investitionen des vergangenen Jahres bei 22,71 % liegt – etwas niedriger als noch im Sportamtsreport 2021 (ca. 24 %). Kommunen, die im vergangenen Jahr auf Förderprogramme zurückgreifen konnten, haben im Schnitt eine Förderquote in Höhe von 38,93 % erhalten (Sportamtsreport 2021: ca. 41 %).

Viele Sportämter haben in diesem Zusammenhang vor allem die komplexe und zeitaufwändige Bearbeitung von Förderanträgen, die geringen zur Verfügung stehenden Mittel, intransparente Auswahlverfahren sowie die Tatsache, dass sich die meisten Förderprogramme primär auf gedeckte Sportanlagen und insbesondere Sporthallen fokussieren, als hauptsächliche Gründe für mangelnde Fördermittel genannt. „Die Unterstützung bei Sanierungen ist für städtische Sportanlagen wie Sportplätze, Schulschwimmbäder, Eissportanlagen oder Stadien nicht vorhanden. Hier ist die Kommune auf sich gestellt“, so Jürgen Sonneck, Leiter Geschäftsbereich Sport der Landeshauptstadt München. Benjamin Tax, Sportamtsleiter der Stadt Ansbach: „Sportförderung muss endlich kommunale Pflichtaufgabe werden.“

Koalitionsvertrag

Der Ende des Jahres 2021 verabschiedete Koalitionsvertrag macht Hoffnung auf eine Verbesserung des Sanierungsstaus, eine Entbürokratisierung von Fördermittelanträgen sowie eine weitgreifende Anerkennung der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports.

Auch der DOSB bewertet die sportpolitischen Potenziale des neuen Koalitionsvertrag durchaus positiv: „Besonders wertvoll aus Sicht des organisierten Sports sind die Pläne in den Bereichen Sportstättenbau, Breitensportförderung und Sportentwicklung. So ist erstmals von Investitionen in Sportstätten von Kommunen sowie Vereinen die Rede, womit eine langjährige Forderung des DOSB aufgenommen worden ist. Hier soll insbesondere in Schwimmbäder investiert werden. Positive Antizipation verbreitet auch der angekündigte ‚Entwicklungsplan Sport‘, bei dem wir davon ausgehen, dass der autonom organisierte Sport hier bei der Erarbeitung eng eingebunden sein wird. Und dazu hat es auch hohe Bedeutung, dass die Breitensportförderung nach Corona fortgesetzt wird.“

Die Meinungen zum neuen Koalitionsvertrag im Sportamtsreport 2022 sind indes gemischt. Oliver Klostermann, Fachbereichsleiter Sport und Sportförderung der Stadt Krefeld: „Der Koalitionsvertrag enthält viel sportpolitisches Potenzial und gute Chancen für den Sport.“ Andere Sportämter wünschen sich indes „mehr Transparenz bei Förderprogrammen“. Der Tonus im Sportamtsreport 2022: Prinzipiell bergen der Koalitionsvertrag sowie der darin verankerte „Entwicklungsplan Sport“ große Potenziale für den Sportstättenbau und den Sport an sich, es bleibe allerdings abzuwarten, inwieweit die aufgeführten Punkte in die Praxis umgesetzt werden. Auch wenn die meisten Sportämter im Sportamtsreport den Chancen des neuen Koalitionsvertrags vor allem in Sachen Entbürokratisierung von Förderprogrammen und der Umsetzung des „Entwicklungsplan Sports“ eher skeptisch gegenüber stehen, wurde die Tatsache, dass eine Vielzahl an Akteuren in die Ausarbeitung des Entwicklungsplan miteinbezogen werden sollen, durchweg positiv bewertet. (Sportplatzwelt, 09.02.2022)

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