Sportamtsreport 2022: Corona und Sport

Im dritten Teil des Sportamtsreport 2022 beschäftigt sich Sportplatzwelt mit der Frage, inwiefern sich die Corona-Pandemie auf die tägliche Arbeit in der Sportverwaltung, den Sport an sich und die Digitalisierung ausgewirkt hat – und vor allem, ob die Maßnahmen im Kalenderjahr 2021 zu einer Verbesserung der Situation geführt haben.

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Sportamtsreport 2022: Organisationsstrukturen
Im ersten Teil des Sportamtsreport 2022 wirft Sportplatzwelt einen Blick auf die Organisationsstrukturen deutscher Sportämter und zeigt auf, welche Themen die kommunale Sportverwaltung derzeit bewegen und inwieweit es im vergangenen Jahr zu organisatorischen und personellen Umstrukturierungen kam.

Sportamtsreport 2022: Kommunale Sportstätteninfrastruktur
Im zweiten Teil des Sportamtsreports 2022 beschäftigt sich Sportplatzwelt unter anderem mit dem Sanierungsstau in der kommunalen Sportstättenlandschaft und wie Kommunen diesem durch gezielte Investitionen entgegenwirken wollen.

Einfluss der Pandemie im Arbeitsalltag

Home Office, Kurzarbeit und digitale Meetings standen auch im vergangenen Jahr weiterhin auf der Tagesordnung. Der Sportamtsreport 2022 belegt, dass die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie sich teils stark auf die tägliche Arbeit in der kommunalen Sportverwaltung ausgewirkt haben. Mehr noch: Bewerteten die Sportämter im Sportamtsreport 2021 auf einer Skala von 1 (sehr stark) bis 10 (gar nicht) den Einfluss der Pandemie und der mit ihr einhergehenden Einschränkungen im Schnitt noch mit 3,71 (Städte bis 100.000 Einwohner) bzw. 3,85 (Städte ab 100.000 Einwohner), wurden die Auswirkungen und Einschränkungen im vergangenen Kalenderjahr mit Durchschnittswerten von 2,48 (Städte bis 100.000 Einwohner) bzw. 2,60 (Städte ab 100.000 Einwohner) in der täglichen Arbeit deutlich stärker wahrgenommen.

Die Meinungen in der Sportverwaltung gehen hier teils stark auseinander: Während einige der Befragten berichten, dass im Jahr 2021 eine gewisse Routine in der täglichen Arbeit unter dem Einfluss der Corona-Pandemie eingekehrt sei, andere Sportämter kritisieren indes weiterhin vor allem die sich ständig ändernden und teils komplexen Corona-Schutzverordnungen, die nicht nur eine zeitintensive Kommunikation mit den Vereinen erforderlich machen, sondern vor allem wenig Raum für andere Projekte lassen.

Benjamin Tax, Sportamtsleiter der Stadt Ansbach: „Wir haben das Jahr 2021 als etwas unaufgeregter als das Vorjahr 2020 erlebt. Alle Beteiligten sind souveräner mit der Situation umgegangen, die Akzeptanz der Regelungen war größer.“

Horst Schulten, Leiter des Stadtdienstes Sport und Freizeit der Stadt Solingen: „Die Pandemie war und ist eine sehr belastende Situation, die die tägliche Arbeit sehr geprägt hat und Raum für andere interessante Aufgaben nahm.“

Oliver Klostermann, Fachbereichsleiter Sport und Sportförderung der Stadt Krefeld: „2020 traf die Corona-Pandemie auch den Sport wie ein Blitz aus heiterem Himmel. In 2021 war der Umgang mit sich ständig ändernden Verordnungen und der Erstellung von Hygienekonzepten leichter zu bewältigen. Trotzdem waren die Herausforderungen sehr groß.“

Auswirkungen auf den Vereinssport

Doch nicht nur für die alltägliche Arbeit im Sportamt gingen die coronabedingten Auflagen mit weiterhin mit einigen Einschränkungen und Herausforderungen einher. Bekanntermaßen haben die Sportvereine im Jahr 2020, dem ersten Jahr der Pandemie, mit erheblichen Mitgliederrückgängen, Liquiditätsproblemen und dem Rückgang ehrenamtlicher Mitarbeiter zu kämpfen. Betroffen waren neben Indoor-Sportarten vor allem Schwimmangebote, Reha- und Gesundheitssportangebote sowie in besonderem Maße Großsportvereine.

Doch wie hat sich die Situation der Sportvereine aus Sicht der kommunalen Sportverwaltung im vergangenen Jahr verändert? Dies ist eine der zentralen Fragen des Sportamtsreports 2022. Zwar haben Bund und Länder vor allem im vergangenen Jahr versucht, dem Vereinssport durch finanzielle Unterstützungsleistungen, Anpassungen am Vereins- und Steuerrecht, erhöhten Förderquoten (beispielsweise im Rahmen der Kommunalrichtlinie) und verschiedenen Lockerungsstufen unter die Arme zu greifen – der Erfolg dieser Maßnahmen hält sich nach Auffassung der befragten Sportämter allerdings in Grenzen.

Zwar gaben 40,54 % der befragten Sportämter an, dass sich die Situation für Sportvereine in ihrer Stadt im Vergleich zum Vorjahr 2020 verbessert habe, demgegenüber stehen allerdings 32,43 % der Befragten, die angaben, keine wesentlichen Verbesserungen oder Verschlechterungen beobachtet zu haben. Mit 27,03 % der Befragten gab zudem rund ein Viertel der Befragten an, dass sich die Lage für Sportvereine im Jahr 2021 weiter verschlechtert habe. Neben anhaltenden Liquiditätsproblemen und weiter sinkenden Mitgliederzahlen wurde hier vor allem der signifikante Rückgang ehrenamtlicher Mitarbeiter bemängelt.

Jürgen Sonneck, Leiter Geschäftsbereich Sport der Landeshauptstadt München: „Teilweise konnte man auf den Ergebnissen aus 2020 aufbauen – zum Beispiel bei der finanziellen Unterstützung der Vereine oder dem Erlass von Nutzungsentgelten. Für die Sportausübung waren die neuerlichen Lockdowns trotz guter Hygienekonzepte aber schwer zu verstehen.“

Sabrina Högl, Sportbeauftragte der Stadt Landshut: „Nach wie vor ist es für die Vereine schwer, sich auf die neuen Vorgaben durch das Ministerium einzustellen. Die Stadt Landshut ist bemüht, Leitfäden zu erstellen, aus denen die Sportvereine kurzgefasst sehen können, welche Regelungen in Bezug auf Corona aktuell gelten.

Roger Rabenhold, Sportamtsleiter der Stadt Chemnitz: „Mit der stufenweisen Öffnung der Sportstätten wird auch der Breitensport, nicht nur im Freien, möglich sein. Der Sport ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und unsere besondere Aufmerksamkeit gilt deshalb, abhängig von der Pandemieentwicklung, schnell die Voraussetzungen für den Sportbetrieb zu gewährleisten.“

Hinsichtlich der Mitgliederentwicklung in den Sportvereinen, gaben insgesamt 56,76 % der Befragten an, dass die Mitgliederzahlen in den Sportvereinen im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr 2020 weiter zurückgegangen seien. 40,54 % gaben an, dass sich die Mitgliederzahlen in etwa auf dem Vorjahresniveau bewegen. Lediglich 2,70 % der befragten Sportämter gaben an, dass die Mitgliederzahlen in Sportvereinen in ihrer Stadt im vergangenen Jahr wieder gestiegen sind.

Der signifikante Rückgang ehrenamtlicher Mitarbeiter, der im Sportamtsreport 2022 ermittelt wurde, könnte indes zu gravierenden langfristigen Problemen für den organisierten Sport in Deutschland führen. Nicht nur, weil Sport in Deutschland seit jeher Sache des Ehrenamts ist – laut Sportentwicklungsbericht 2019 des DOSB verfügen lediglich 6,4 % der Vereine über bezahlte Führungspositionen –, sondern auch, weil die Zahlen Ehrenamtlicher ohnehin seit Jahren rückläufig sind. Ein Trend, der durch die Corona-Pandemie noch einmal signifikant beschleunigt wurde. Bereits vor der Pandemie gingen die Gesamtzahlen ehrenamtlicher Mitarbeiter im Sportverein jährlich um rund 4 % zurück.

Horst Schulten, Leiter des Stadtdienstes Sport und Freizeit der Stadt Solingen: „Die Funktionäre der Vereine sowie die Mitarbeiter der Verwaltung sind genervt und ausgelaugt, einige Funktionäre haben ihre Ämter aufgegeben. Die ständigen Einschränkungen und zum Teil undurchsichtigen Änderungen der CoronaSchVO zehren an der Substanz der handelnden Personen.“

Direkte Auswirkungen auf die Kommunen und ihre Haushaltsplanungen hatten indes die schließungsbedingten Einnahmeverluste im Bereich der städtischen Sportstätten – vorzugsweise in Schwimmbädern. Ganze 51,35 % der befragten Sportämter gaben an, auch im Jahr 2021 signifikante Einnahmeverluste verzeichnet zu haben.

Liquiditätsprobleme in den Sportvereinen stellten für 43,24 % der Befragten im vergangenen Jahr eine erhebliche Herausforderung dar. Dass die finanziellen Unterstützungsleistungen – beispielsweise durch Erlass der Sportstättennutzungsgebühren oder geminderter Miet- und Pachtzahlungen – der Kommunen sowie die Hilfsprogramme von Bund und Ländern zumindest in Ansätzen von Erfolg geprägt waren, zeigt ein Blick auf die Sportvereine, die im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden mussten: Lediglich 5,40 % der befragten Sportämter gaben an, dass im Jahr 2021 Sportvereine in ihrem Stadtgebiet Insolvenzverfahren einleiten mussten.

Die steigende Nachfrage nach informellen und niedrigschwelligen Sportangeboten im urbanen Raum konnte bereits im Sportamtsreport 2021 beobachtet werden. Ein Trend, dessen Anfänge zwar bereits vor Beginn der Corona-Pandemie liegen, der in den vergangenen Jahren aber noch einmal ordentlich an Fahr aufgenommen hat. Mit 37,84 % gab etwas über ein Drittel der befragten Sportämter an, eine solche gesteigerte Nachfrage im vergangenen Jahr beobachtet haben zu können. Vor allem in Großstädten scheint dieser Trend deutlich präsenter zu sein, wie die 60,00 % der befragten Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern, die diesen Trend in ihrer Stadt beobachten konnten, anschaulich belegen. Zum Vergleich: In Kleinstädten bis 50.000 Einwohner und in Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern wurde diese steigende Nachfrage nach informellen Sport- und Bewegungsangeboten nur in 28,57 % bzw. 33,33 % der Fälle beobachtet.

Auch wenn sich hier ein eindeutiger Trend abzeichnet, haben vergleichsweise wenige der befragten Sportämter im vergangenen Jahr auf diese Entwicklung reagiert. 15,38 % der befragten Kommunen haben im vergangenen Jahr neue Trendsportanlagen realisiert, 28,57 % konnten im vergangenen Jahr neue Angebote für den Individual- und vereinsungebundenen Sport schaffen.

Vor allem die finanzielle Absicherung der von Corona gebeutelten Sportvereine stellte auch im Jahr 2021 eine der wesentlichen Maßnahmen als Reaktion auf die zuvor erwähnten Auswirkungen der Pandemie dar: 38,46 % der befragten Kommunen haben ihre Sportvereine auch im Kalenderjahr 2021 durch städtische Zuschüsse finanziell unter die Arme gegriffen. Hinzu kommen 43,59 % der befragten Kommunen, die Vereine in ihrer Stadt im vergangenen Jahr durch den Erlass von Sportstättennutzungs- und Mietgebühren unterstützt – Maßnahmen, die wiederum mit den oben beschriebenen signifikanten Einnahmeverlusten im Bereich der städtischen Sportstätten Hand in Hand gehen.

Obgleich der Rückgang ehrenamtlicher Mitarbeiter eine signifikante Auswirkung der Corona-Pandemie auf den organisierten Vereinssport darstellt und den Kommunen allem Anschein nach auch bewusst, wurden diesbezüglich von städtischer Seite aus vergleichsweise wenig konkrete Maßnahmen getroffen: Lediglich 12,82 % der Befragten gaben an, im vergangenen Jahr konkrete Kampagnen zur Mitgliedergewinnung und/oder Stärkung des Ehrenamts in den Sportvereinen auf den Weg gebracht zu haben. Eine mögliche Erklärung: Eventuell sehen die Sportämter die diesbezügliche Verantwortung eher auf Seiten der Sportvereine bzw. des Stadtsportbunds.

Digitalisierung

Zwangsweise hat die Corona-Pandemie in den vergangenen Monaten vielerorts Digitalisierungsprozesse forciert – in den Sportämtern wie in den Vereinen. Die Frage, inwieweit die Corona-Pandemie ein Treiber für die Digitalisierung in der Sportstättenverwaltung, der digitalen Kommunikation oder der Schaffung neuer digitaler Angebote gewesen sei, bewerteten die befragten Sportämter im Vorjahresreport auf einer Skala von 1 (sehr stark) bis 10 (gar nicht) im Schnitt mit 5,74. Daher konnte bereits im Sportamtsreport 2021 festgestellt werden, dass abseits gezwungenermaßen notwendiger Digitalisierungsprozesse der täglichen Arbeit im Home Office nur von einer geringen Motorfunktion der Corona-Pandemie für die Digitalisierung in der deutschen Sportverwaltung ausgegangen werden kann – zumindest im Durchschnitt. Ein genauer Blick auf die Angaben im Sportamtsreport 2021 hat gezeigt, dass aufgrund der großen Streuung der Antworten über alle Punkte der zehnstufigen Skala hinweg Digitalisierungsprozesse vor allem mit den individuellen Gegebenheiten vor Ort, der Größe des Sportamts sowie seinem generellen Digitalisierungsstand zusammenhängen.

Ein Trend, der sich auch im Jahr 2021 fortgesetzt hat: Lediglich 2,56 % der im Sportamtsreport 2022 befragten Sportämter haben im vergangenen Jahr neue digitale Kommunikations-Tools für den Dialog zwischen Stadtverwaltung und BürgerInnen geschaffen. Selbes gilt für die Erstellung und Ausarbeitung eines digitalen Sportstättenkatasters. Etwas besser sieht es hinsichtlich der digitalen Sportstättenverwaltung aus: Mit 23,07 % hat rund ein Viertel der befragten Sportämter im vergangenen Jahr digitale Strukturen zur Sportstättenverwaltung und Belegungsmanagement etabliert. Wenn Corona ein Treiber für weiterführende Digitalisierungsmaßnahmen war, dann eher auf Seiten der Vereine: Viele Befragte gaben an, dass sich vor allem die Vereine in den vergangenen zwei Jahren mit innovativen digitalen Angeboten hervorgetan hätten.

2020 vs. 2021

Nun stellt sich die Frage, wie die deutsche Sportverwaltung die Entwicklung der Corona-Pandemie und die mit ihr verbundenen Auswirkungen auf den Sport in Gänze bewerten. Kurz: Insgesamt haben die Sportämter im Vergleich zum ersten Pandemiejahr 2020 keine wesentlichen Verbesserungen beobachten können – trotz der Anstrengungen von Politik und Vereinssport.

Lediglich 8,11 % der Befragten gaben an, dass sich die Gesamtsituation für den Sport im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr verbessert hat. 48,65 % der Befragten gaben an, die Situation sei größtenteils gleichgeblieben. Ganze 43,24 % der Befragten sind indes der Meinung, dass sich die Gesamtsituation im Vergleich zum Vorjahr 2020 sogar verschlechtert habe. (Sportplatzwelt, 09.02.2022)

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