Wolfsburg: Auswirkungen der Pandemie auf den Breitensport
Um erste belastbare Ergebnisse zu den strukturellen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Breitensport zu ermitteln, hat der Geschäftsbereich Sport der Stadt Wolfsburg Leitfadeninterviews mit verschiedenen Vereinen in Wolfsburg geführt.
Neben einer repräsentativen Zufallsstichprobe aus 20 Vereinen in Wolfsburg wurden auch die vier Großvereine mit Mitgliederzahlen zwischen 4.238 und 5.418 Mitgliedern befragt. Die Ergebnisse spiegeln die Auswirkungen der Pandemie auf die Mitgliederentwicklung, die finanzielle Situation, das ehrenamtliche Engagement und die Sportangebote der Wolfsburger Sportvereine wider.
Mitgliederentwicklung
Ein Vergleich der Mitgliederzahlen vom Januar 2020 und Januar 2021 zeigt einen Rückgang der Mitgliederzahlen bei 70 % der Vereine, die im Rahmen der Erhebung befragt wurden. Diese reichen von einem Rückgang um 2,2 % bis hin zu einem Rückgang von 18,4 %. Drei Vereine meldeten gleichbleibende Mitgliederzahlen im Vergleich zum Januar des Vorjahres, drei Vereine konnten sogar einen Anstieg der Mitgliederzahlen im Vergleich zum Januar 2020 vermelden. Das Mitgliederwachstum reicht von 2,8 % bis 11,4 %. Im Schnitt beläuft sich die Mitgliederentwicklung auf einen Rückgang von 4,0 % im Vergleich zum Vorjahr.
Die vier befragten Großvereine verzeichneten allesamt einen Rückgang der Mitgliederzahlen im Vergleich zum Vorjahr, im Schnitt beträgt dieser rund 8,3 %. In besonderer Weise sei der Schwimmsport von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Hierzu sagt Dennis Bauch vom Fachverband Schwimmsport: „Wir haben in den Wolfsburger Vereinen jedes sechste Mitglied in den Schwimmabteilungen verloren. Für den Schwimmsport sieht es schlimmer aus als für andere Bereiche.“ Dies stelle ein Problem vor allem für den Wolfsburger Nachwuchs dar, so Bauch. Sechs bis zwölf Monate müssten Kinder bereits vor dem Lockdown auf Schwimmkurse warten und laufend kommen weitere Kinder hinzu. Bauch sei allerdings auch davon überzeugt, dass man den Rückstand in der Schwimmausbildung wieder aufholen könne: „Ideen gibt es viele. Aber wir brauchen die Infrastruktur – alle nur möglichen Wasserflächen sollten nutzbar gemacht werden.“
Insgesamt melden also rund 75 % der Vereine sinkende Mitgliederzahlen im Vergleich zum Vorjahr, die Vereine mit mehr als 4.000 Mitgliedern sind prozentual deutlich stärker von den Mitgliederrückgängen betroffen als Vereine mit weniger als 1.000 Mitgliedern (95 % der Wolfsburger Vereine). Den Leitfadeninterviews zufolge würden sich diese Verluste aber mehrheitlich im Rahmen der normalen Fluktuation bewegen, ausschlaggebend für den Rückgang seien in erster Linie die fehlenden Neuanmeldungen.
Die Erwartungen bezüglich der zukünftigen Mitgliederentwicklung für den Rest des Jahres sind indes geteilt: Rund die Hälfte der befragten Vereine rechnet mit gleichbleibenden oder sogar steigenden Mitgliederzahlen im Jahr 2021, insgesamt neun Vereine befürchten einen weiteren Rückgang der Mitgliederzahlen. Drei der vier Großvereine gehen davon aus, dass die Mitgliederzahlen im Verlauf des Jahres 2021 wieder ansteigen werden.
Finanzielle Situation
Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie sei der Wolfsburger Sport bislang „noch glimpflich davongekommen“, so der stellvertrende Sportausschussvorsitzende Ingolf Viereck. Auch Reiner Brill, Leiter des Geschäftsbereichs Sport der Stadt Wolfsburg, betonte: „Es besteht noch keine finanzielle Existenznot.“
Zusammenfassend sind dennoch fast alle Einnahmepositionen der befragten Wolfsburger Vereine von finanziellen Einbußen betroffen – ein einheitlicher Trend bei den Auswirkungen auf die Sportangebote, Sportveranstaltungen und Investitionen ließe sich allerdings nicht erkennen.
Lediglich sieben der 20 befragten Vereine haben bislang finanzielle Unterstützung in Form von Liquiditätshilfen bzw. Förderprogrammen seitens Bund, Land oder Stadt in Anspruch genommen. Die 13 Vereine, die bislang keine solcher Hilfen beansprucht haben, gaben als Grund hierfür mehrheitlich (76,9 %) an, dass solche Unterstützungsleistungen bislang nicht erforderlich gewesen seien. Anders verhält es sich bei den vier mitgliederstärksten Vereinen Wolfsburgs: Alle Großvereine haben Sonder-Förderprogramme in Anspruch genommen, kämen finanziell aber dennoch bislang gut durch die Krise – die Aufwandsreduzierung und finanziellen Hilfen hätten die Einnahmeverluste größtenteils kompensiert.
Ehrenamt
Auch das ehrenamtliche Engagement in den Wolfsburger Sportvereinen hat infolge der Pandemie wenig gelitten – die Zahlen ehrenamtlich Tätiger sind weitestgehend stabil geblieben. Die Vereine gehen mehrheitlich davon aus, dass dies auch so bleiben wird, insofern der Sportbetrieb in absehbarer Zeit wieder aufgenommen werden kann.
So gaben 15 der 20 befragten Sportvereine an, keinen Rückgang ehrenamtlicher Funktionsträger im Jahr 2020 verzeichnen zu müssen – in Bezug auf ehrenamtliche Betreuer, Übungsleiter und Trainer war dies bei 14 von 20 Sportvereinen der Fall. Drei Vereine gaben einen Rückgang von weniger als 5 % der ehrenamtlichen Funktionsträger, vier Vereine im Bereich der ehrenamtlichen Betreuer, Übungsleiter und Trainer an. Lediglich ein Verein verzeichnete einen sehr starken Rückgang (mehr als 20 %) der ehrenamtlichen Funktionsträger. Die vier Großvereine gaben an, dass die Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter in allen Bereichen stabil geblieben sei.
Auch für das Jahr 2021 rechnen insgesamt 15 bzw. 14 Vereine damit, dass die Zahlen der ehrenamtlichen Funktionsträger bzw. Betreuer, Übungsleiter und Trainer nicht von der Corona-Pandemie beeinflusst werden.
Sportangebote
Insgesamt sind die Sportangebote der Wolfsburger Vereine stark durch die Pandemie und den mit ihr einhergehenden Einschränkungen beeinflusst worden. Die Angebote der Vereine seien sehr stark eingeschränkt worden bzw. sogar ganz weggefallen. Besonders betroffen seien hierbei die Sportangebote für Kinder und Jugendliche, Risikogruppen sowie der Mannschaftssport. Die Wolfsburger Vereine haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Angebote in modifizierten Formen – etwa durch Online-Trainingsangebote – fortführen und so eine Alternative für eingeschränkte Präsenzangebote bilden zu können.
Dabei haben alle vier Großvereine im Rahmen der Pandemie neue Online-Angebote eingeführt, ein Verein gab an, dass eine Fortführung dieser Angebote nach Ende der Pandemie „wahrscheinlich“ sei. Auch 9 der 20 befragten Vereine gaben an, während der vergangenen Monate neue Online-Angebote etabliert zu haben – vorrangig in den Bereichen Fitness, Gymnastik, Ballett, Yoga, Pilates, Technik-Training, Bauch-Beine-Po, Cheerleading, Gesundheitssport, Rehasport, Ju-Jutsu, Tischtennis, Judo, Badminton und Bewegungsförderung für Kinder. Vier Vereine gaben dabei an, die Angebote auch nach der Pandemie aufrechterhalten zu wollen.
Fazit
Die Vereinsbefragung des Geschäftsbereichs Sport der Stadt Wolfsburg kommt zu folgendem Ergebnis: Die Mitgliederverluste der Wolfsburger Sportvereine seien aktuell noch verkraftbar, die Vereine finanziell nicht in ihrer Existenz bedroht und auch das ehrenamtliche Engagement sei weitestgehend stabil. Allerdings betont der GB Sport in diesem Zusammenhang auch, je länger die Sportvereine ihrem Zweck nicht nachkommen könnten, desto weniger komme ihre „sozialintegrative und inklusive Kraft zur Wirkung“, desto weniger könnten „personenbezogene, soziale und sportbezogene Kompetenzen entwickelt und erweitert werden“ und desto geringer sei die positive und präventive Auswirkung von Sport und Bewegung auf Fitness, Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden.
„Die Familie des Sports hält zusammen“
„Der erneute Lockdown hat erhebliche Auswirkungen auf die Vereine, die Sporttreibenden und den Geschäftsbereich Sport“, fasst Brill zusammen. „Während im ersten Lockdown die Mitgliederzahlen stabil geblieben sind und nach Wiederaufnahme des Sportbetriebs sogar Zuwächse zu verzeichnen waren, sind aktuell tendenziell sinkende Mitgliederzahlen festzustellen. Zurückzuführen ist dies darauf, dass die normale Fluktuation nicht durch Neueintritte kompensiert wird.Der Mitgliederrückgang wirkt sich vor allem bei kleineren Vereinen finanziell negativ aus. Bei den mitgliederstarken Großvereinen sind es darüber hinaus die fehlenden Einnahmen durch zusätzliche Kurse und Angebote im Bereich Gesundheits- und Rehasport. Allerdings haben die Großvereine ihre Kosten während des Lockdowns deutlich reduzieren können. Hauptamtliche Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, Kosten für Übungsleiter, Trainer, Sportanlagen, Fahrten und Wettkämpfe sind entfallen. Bei den Großvereinen hat das in der Tendenz dazu geführt, dass ihre finanzielle Situation aktuell stabil ist, sich bisher keine Liquiditätsengpässe ergeben haben und – soweit vorhanden – sie auch keine Probleme bei der Rückzahlung von Krediten und Darlehen haben.
Erfreulich ist, dass bisher durchgängig das ehrenamtliche Engagement in unseren Sportvereinen als Folge der Pandemie nicht abgenommen hat. Im Gegenteil, die Vereine berichten, dass sowohl Betreuer, Übungsleiter und Trainer als auch Spartenleiter und ehrenamtliche Vorstände intensiv daran mitarbeiten, ihren Verein in der herausfordernden Situation zu unterstützen. Tenor: Die Familie des Sports hält zusammen und meistert die Krise gemeinsam.
Aufbauend auf den Erfahrungen im ersten Lockdown haben besonders Großvereine inzwischen differenzierte und abwechslungsreiche Online-Angebote für unterschiedlichste Alters- und Zielgruppen entwickelt. Die Angebote werden insgesamt sehr gut angenommen. Sie ersetzen allerdings nicht den gemeinsamen Sport und die persönliche Begegnung. Dies trifft sowohl auf die Mannschaftssportarten als auch auf ältere Vereinsmitglieder und Kinder zu, die digitale Angebote deutlich weniger nutzen.
Als besonders problematisch bewerten die Vereine die Auswirkungen der Pandemie auf die Bewegung und Interaktion von Kindern und Jugendlichen, die deutlich eingeschränkt wird und die jungen Menschen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt.
Für den Geschäftsbereich Sport hat der zweite Lockdown neben den organisatorischen Aufgaben, die zu bewältigen sind, wiederum erhebliche finanzielle Einbußen zur Folge. Die fehlenden Einnahmen aus der Vermietung der Sporthallen und -plätze sowie aus den Eintrittseinnahmen in der EisArena, den Hallenbädern und dem BadeLand belaufen sich pro Schließungswoche auf mehrere zehntausend Euro. Finanzielle Hilfen des Bundes für öffentliche Bäderbetriebe und andere Einrichtungen der Freizeitgestaltung wurden beantragt.“ (Sportplatzwelt, 22.02.2021)