Stimmen zum Breitensport-Lockdown

Kein Mannschafts- und Vereinssport im November – das geht aus dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz hervor. Sportplatzwelt hat die ersten Reaktionen auf die neue Coronaverordnung zusammengefasst.

Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz am vergangenen Mittwoch hat deutlich spürbare Auswirkungen auf den Amateur- und Breitensport. Sämtliche Sportstätten müssen im November geschlossen bleiben. Lediglich der Individualsport im Freien allein, zu zweit bzw. mit maximal einem weiteren Haushalt bleibt erlaubt. Der Amateur- und Breitensport, der sich gerade erst von den Auswirkungen des ersten Lockdowns im Frühjahr erholt zu haben schien, wird somit erneut auf eine harte Probe gestellt.

Die Stimmen zu den verschärften Maßnahmen fallen dabei allesamt ähnlich aus: Während die Maßnahmen zwar solidarisch mitgetragen werden und auch entsprechend umgesetzt werden sollen, bangen viele Landessportbünde um die Liquidität ihrer Mitglieder und monieren zeitgleich, dass gerade hinsichtlich der nach wie vor – zwar ohne Zuschauer – genehmigten Profisportveranstaltungen mit zweierlei Maß gemessen werde.

Im Folgenden hat Sportplatzwelt die wichtigsten Stimmen zum Beschluss des Bundes zusammengefasst.

DOSB: „Sport ist nachweislich kein Infektionstreiber“

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds: „Der DOSB bedauert sehr, dass dieser temporäre Lockdown inklusive eines Verbots des Amateursports offenbar nötig geworden ist. Wir tragen diese Maßnahme jedoch verantwortungsbewusst trotz der negativen Effekte für den Sport grundsätzlich solidarisch mit. [...] Leider berücksichtigt der generelle Lockdown nicht die vielfältigen und erfolgreichen Aktivitäten des Sports, der durch ein hohes Maß an Disziplin und mit der konsequenten Umsetzung von Hygiene-Konzepten erreicht hat, dass der Sport nachweislich kein Infektionstreiber ist.“

IAKS: „Mangel an klaren Anweisungen“

Die Internationale Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS) in einem offenen Brief an die Landesregierungen der Bundesrepublik: „Statt pauschale Schließungen von Sportstätten flächendeckend durchzusetzen, müssen einheitliche und eindeutige Regelungen und Maßnahmen von Seiten der Politik klare Handlungsanweisungen für Sportstättenbetreiber, Schulen, Vereine und Verbände darlegen. […] Die Handlungsunsicherheit vieler Verantwortlicher in Schulen und Sportvereinen verdeutlicht den Mangel an klaren Anweisungen von Seiten der (Landes-)Regierungen, die darauf aus sind, Hygieneregelungen durchzusetzen, deren oberstes Ziel es aber gleichzeitig sein sollte, den Sport und die Bewegung unter allen Umständen weiter zu ermöglichen. Zudem wird in einer Krisensituation wie dieser einmal mehr deutlich, wie sanierungsbedürftig etliche der Sportstätten in Deutschland sind. Wenn Turnhallen wegen kaputter Fenster nicht gelüftet oder Abstände wegen zu kleiner Räume nicht eingehalten werden können, spricht dies für sich und verlangt ein besonders und langfristiges Augenmerk auf die Situation deutscher Sportstätten.“

Baden-Württemberg: „Aufgabe des organisierten Sports wird es jetzt sein, deutlich auf die guten Beispiele aufmerksam zu machen“

Elvira Menze-Haasis, Präsidentin des Landessportbunds Baden-Württemberg: „Ich bin enttäuscht, dass die großen Anstrengungen und guten Beispiele in unserem Land eine solch schwerwiegende Entscheidung nicht verhindern konnten. Die Sportvereine und ehrenamtlich Engagierten in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass sie mit Hygienekonzepten und Reglementierungen verantwortlich umgehen und während des Sporttreibens kein erhöhtes Infektionspotenzial besteht. Die Aufgabe des organisierten Sports wird es jetzt sein, deutlich auf die guten Beispiele in Sportdeutschland aufmerksam zu machen und eine Wiedereröffnung nach den angedachten Wochen zu erwirken – insbesondere vor dem Hintergrund der physischen und psychischen Gesundheit sowie des sozialen Zusammenhalts der Bevölkerung.“

Berlin: „Der Sport ist kein Hotspot“

Thomas Härtel, Präsident des LSB Berlin, gegenüber dpa: „Wir wissen, dass die Hygienekonzepte des organisierten Sports funktionieren. Deshalb haben wir auch kein signifikantes Infektionsgeschehen im Sport. Der Sport ist kein Hotspot. Erst kürzlich hat der DOSB ein neues TÜV-zertifiziertes Konzept vorgelegt. Wir können nur an alle politisch Verantwortlichen appellieren, die Angebote der Sportvereine weiter zu berücksichtigen. Gerade jetzt wäre es im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts wichtig, Sportangebote aufrechtzuerhalten, besonders für Kinder und Jugendliche. Wir haben wenig Verständnis dafür.“

Brandenburg: „Wir bitten die Vereinsmitglieder, zu ihrem Verein zu stehen“

Andreas Gerlach, Vorstandsvorsitzender des LSB Brandenburg: „Die Gesundheit der Menschen steht an erster Stelle und die Entscheidung ist im Zusammenhang mit allen anderen Maßnahmen nachvollziehbar. Dennoch ist es deprimierend, dass die diszipliniert handelnden Sportvereine nun für die zwischenzeitlich aufgetretene Sorglosigkeit, die Reisewut und den Leichtsinn Weniger bestraft werden. Die Kontrolle der beschlossenen Maßnahmen muss ernster genommen und die möglichen Sanktionen angewandt werden. Wir bitten die Vereinsmitglieder, trotz der maßlosen Enttäuschung auch weiterhin so diszipliniert und verständnisvoll zu sein wie bisher und vor allem, zu ihrem Verein zu stehen.“

Bremen: „Es wird uns treffen“

Andreas Vroom, Präsident des Landessportbunds Bremen, im buten un binnen Sportblitz, ein Fernsehmagazin des Radio Bremen: „Ich finde es gar nicht gut, denn es ist viel zu undifferenziert. wir haben massiv runtergefahren auf freiwilliger Basis. Und wir haben sehr gute Hygienekonzepte erarbeitet und eingehalten – es wird uns treffen. [...] Ich wäre gerne schrittweise runtergegangen, jetzt ist der Schritt sehr groß. [...] Es wird fürchterlich.“

Hamburg: „Größte Bewährungsprobe für den Hamburger Sport seit 75 Jahren“

Dr. Jürgen Mantell, Präsident des Hamburger Sportbunds, und Ralph Lehnert, Vorstandsvorsitzender des Hamburger Sportbunds, in einem gemeinsamen Statement: „Der erneute sportliche Lockdown ist eine schwarze Stunde für den Hamburger Sport und den Rest von Sportdeutschland. Nachdem der Vereinssport im Frühjahr wegen der Coronapandemie bereits für 51 Tage komplett stillgestanden hat, trifft uns diese jetzige Entscheidung bis ins Mark. Dem Hamburger Sport stehen wieder sehr schwere Wochen und Monate bevor. An alle Mitglieder in den Vereinen appellieren wir auch jetzt wieder: Bleiben Sie an Bord, bleiben Sie Mitglied! Das ist für das Überleben der Vereine das Wichtigste. Die Vereine werden wieder für Sie da sein, wenn Sport wieder möglich ist.

Gehen Sie auch in Vereinen in dieser Situation solidarisch miteinander um: Ihre Vorstände und Engagierten stehen ebenfalls unter hohem Druck und haben in den vergangenen Monaten mit den zusätzlichen Belastungen in der Coronakrise Herausragendes geleistet, um unter den schwierigen Rahmenbedingungen den Sport für die Mitglieder trotzdem zu ermöglichen. Das verdient Respekt und Anerkennung. Der Hamburger Sport befindet sich in der größten Bewährungsprobe der letzten 75 Jahre. Wir werden diese nur mit Ausdauer, Fair-Play und Zusammenhalt meistern können. Der Hamburger Sportbund wird weiter mit Rat und Tat an der Seite seiner Mitglieder stehen und versuchen, strukturellen Schaden vom Hamburger Sport abzuwenden.“

Hessen: „Es wird mit zweierlei Maß gemessen“

Rolf Müller, Präsident des Landessportbunds Hessen, im Interview mit der FAZ: „Nach dem ersten Lockdown waren die Vereine eigentlich in einer relativ guten Verfassung. Die finanziellen Auswirkungen wurden noch überwiegend positiv gesehen. Es gab auch keine Mitgliederverluste in großem Maße. Das wird bei einem zweiten Lockdown aus meiner Sicht völlig anders werden. Dann werden die finanziellen Reserven der Vereine sicherlich aufgebraucht sein. Wir benötigen deshalb eine Fortsetzung der bisherigen Förderprogramme und müssen weiterhin auf die Robustheit, die Anpassungsfähigkeit und die Kreativität der Vereine hoffen. Am Ende werden aus meiner Sicht aber einige Vereine in wirklich existenzielle Situationen und Nöte kommen. […] Das große Problem für uns im Amateursport ist, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und für den kommerziellen Sport, zumindest den Fußball, aufgrund der sehr großen Finanzmittel, die es dort gibt, andere Regeln gelten. Es ist nicht gut für die Wahrnehmung des Sports innerhalb unserer Gesellschaft, wenn der Eindruck eines Zweiklassensystems entsteht. Wir haben es beim ersten Mal mit viel Solidarität geschafft, dass kein Unterschied zwischen den Sportarten gemacht wurde. Es wäre gut, wenn der organisierte Sport in Deutschland mit einer Zunge spräche und gleich betroffen wäre.“

Niedersachsen: „Wir tragen die Maßnahmen grundsätzlich solidarisch mit“

Dr. Wolf-Rüdiger Umbach, Präsident des Landessportbunds Niedersachsen: „Diese Aspekte (der Einfluss des Sports auf die körperliche und psychosoziale Gesundheit, gemeinschaftsbildende Aspekte des Vereinssports; Anm. d. Red.) sollten aus Sicht des LSB bei Abwägungsprozessen der Politik stärker gewichtet werden. Wir plädieren deshalb für so viel verantwortbaren Sport wie möglich. Wir tragen diese Maßnahmen jedoch verantwortungsbewusst trotz der negativen Effekte für den Sport grundsätzlich solidarisch mit.“

Reinhard Rawe, Vorstandsvorsitzender des Landessportbunds Niedersachsen: „Wir sind nun jedoch in größerer Sorge um das Vereinssystem und um seine wichtigen gesellschaftspolitischen Funktionen.“

Sachsen: „Riskieren Sie nicht die jahrelange Arbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen!“

Christian Dahms, Generalsekretär des Landessportbunds Sachsen: „Wir haben wenig Verständnis dafür, dass dem organisierten Sport in Sachsen nun erneut die Grundlage entzogen wird. Seit Monaten wird in unseren Vereinen und Verbänden sehr diszipliniert mit Hygienekonzepten, Abstandsregeln und Kontakterfassung gearbeitet. Diese Maßnahmen wurden schnell eingeführt und haben sich bewährt. Der für kommenden Montag angekündigte harte Einschnitt ist aus unserer Sicht deswegen nur schwer nachvollziehbar. Der sächsische Breiten- und Freizeitsport ist nicht als Hotspot aufgefallen. Im Gegenteil, das aktive Sporttreiben ist gut für die Gesundheit und das Immunsystem. Auch im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts wäre es gerade jetzt wichtig, Sportangebote aufrechtzuerhalten – besonders für Kinder, Jugendliche und Senioren. Die Sonderrolle des Profisports stellt die Solidarität der Vereinsmitglieder im Breitensport zusätzlich auf eine unnötige Zerreißprobe. Wir appellieren deswegen an die politisch Verantwortlichen, die Angebote der Sportvereine in der nächsten sächsischen Corona-Schutzverordnung weiter zu berücksichtigen. Riskieren Sie nicht die jahrelange Arbeit von zahlreichen Haupt- und vor allem Ehrenamtlichen! Eine erneute Schließung wäre eine Katastrophe für den sächsischen Vereinssport.“

Schleswig-Holstein: „Können das Regelwerk grundsätzlich nachvollziehen“

Hans-Jakob Tiessen, Präsident des Landessportverbands Schleswig-Holstein: „Grundsätzlich können wir das von der Landesregierung angekündigte strengere Regelwerk nachvollziehen und tragen es mit. Über die konkreten Regelungen, die den Sport betreffen, und deren Auswirkungen stehen wir mit der Landesregierung, zusammen mit einigen unserer Mitgliedsverbände, in einem engen und intensiven Austausch.“ (Sportplatzwelt, 29.10.2020)

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