LSB NRW & BLSV: Gemeinsame Erklärung zu Herausforderungen im Sport

Im Rahmen einer gemeinsamen Tagung in der Sportschule Oberhaching befassten sich die beiden Präsidien des Landessportbund Nordrhein-Westfalen und des Bayerischen Landessportverbands mit bedenklichen Entwicklungen im Sport.

„Rot für die Ampel!“

„Geplante Mittelkürzungen der Bundesregierung beim organisierten Sport bedeuten Leistungsabfall bei Gesundheit, Gesellschaft, Gemeinwohl, Zusammenhalt, Ehrenamt und gefährden so den organisierten Sport in seiner Breite und Spitze“, so die Präsidenten Stefan Klett Jörg Ammon in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Der Haushaltsentwurf der regierenden Ampel-Koalition für das Jahr 2024 sieht massive Mittelkürzungen für den Sport vor:

  • Kürzungen um 27 Mio. Euro (10 %) beim Leistungssport (von 303 Mio. Euro auf 276 Mio. Euro). Kein bekannter Etat für die Sportagentur, welche den Leistungssport künftig koordinieren soll.
  • Drastische Kürzungen in Höhe von 19 % für das Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) sowie das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) erfolgen nach ersten Ankündigungen wohl doch nicht.
  • Bei der so wichtigen Integration durch Sport sollen die Fördermittel von 11,4 Mio. Euro auf 10,9 Mio. Euro schrumpfen.
  • Erhebliche Einsparungspläne bei den Bundesfreiwilligendiensten: 78 Mio. Euro sollen hier im Etat des Familienministeriums wegfallen. Damit könnte jede dritte dieser für die Vereine so wichtigen Stellen bis 2025 wegbrechen.
  • 0 Euro für den Entwicklungsplan Sport, der die Weichen für eine gesunde Sportlandschaft in Deutschland stellen soll.

Über den gesamten Haushalt entscheidet der Bundestag zum Abschluss der Haushaltswoche am 1. Dezember 2023. Bis dahin sind noch Änderungen möglich.

„Mittelkürzungen müssen vom Tisch!“

„Was für die gesamte Gesellschaft Deutschlands gilt, gilt auch für den Sport“, betonen die beiden Präsidenten Stefan Klett und Jörg Ammon. „Energie wird teurer, Personal wird teurer, die Inflation ist auf einem hohen Niveau, Aufgaben für den Sport werden mehr. Für die gesamtgesellschaftlich immens wichtige Aufgabe des organisierten Sports mit seinen 87.000 Vereinen und rund 27 Mio. Mitgliedschaften sind Mittelkürzungen ein grobes Foul der Bundesregierung.“ Die Mittelkürzungen für den organisierten Sport müssen deswegen dringend vom Tisch, sind sich die beiden größten deutschen Sportbünde einig.

Kritisiert wird weiter, dass diese drastischen Einsparungen nur ein knappes Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris erfolgen sollen. Und vor einer möglichen Olympia-Bewerbung Deutschlands, die im Rahmen der demnächst startenden Dialog-Foren auch die Bevölkerung beteiligt.

Reform des Spitzensports

Kernstück der Spitzensport-Reform ist eine unabhängige Sportagentur, in der die Steuerung und Förderung des Spitzensports gebündelt werden soll. Bis Ende 2025 soll sie einsatzbereit sein und mit neuen Mitteln aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. In einem weiteren Schritt soll sie auch das Anerkennungsverfahren für die Bundesstützpunkte übernehmen.

Welches Budget die Agentur jedoch erhalten soll, ist bisher nicht bekannt. Außerdem scheint die versprochene Unabhängigkeit dieser Agentur keineswegs gesichert. Mit der vorgesehenen Gremienstruktur aus Stiftungsrat und Fachbeirat besteht vielmehr die Gefahr, dass den bereits bestehenden Institutionen im Leistungssport auf Bundesebene lediglich eine weitere hinzugefügt wird. Die letztendliche Entscheidungsmacht liegt nach derzeitigen Planungen im Stiftungsrat und damit nicht in der Sportfachlichkeit.

Konstruktiv begleiten wollen die Bünde die Einbindung bzw. die aus ihrer Sicht dringend notwendige Modifikation von PotAS, der Potenzialanalyse-Kommission, die eine objektive und transparente Bewertung der Potenziale in den olympischen Disziplinen bzw. Disziplingruppen ermöglichen soll. Auch die Reduzierung von Bundesstützpunkten, die Konzentration von vorhandenen Finanzmitteln (z. B. eine Verteilung auf weniger, aber erfolgsträchtigere Sportarten) und die Einbindung des Themas Nachwuchsleistungssport werden aktiv mitzugestalten sein.

Ein derzeit in Bearbeitung befindliches Bundes-Sportfördergesetz soll flankierend für eine kontinuierliche und in der Höhe festgelegten Förderung sorgen. „Hier sind ein Rechtsanspruch und möglichst auch die Höhe der Förderung zu fixieren”, fordern die Präsidien der beiden größten deutschen Sportbünde.

Kürzungen bei IAT und FES wohl vom Tisch

Die geplanten Kürzungen bei den beiden sportwissenschaftlichen Instituten erfolgen nun wohl doch nicht, wie aus der Sportministerkonferenz am 14./15. September verlautbart wurde.

„Wir begrüßen, dass diese Kürzungen wohl verhindert werden können. Denn die beiden Institute leisten einen wichtigen Beitrag für unseren Medaillen-Erfolg“, sagen Klatt und Ammon. „Eine Kürzung der Mittel vor den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris würde unsere Medaillenaussichten schmälern. Wir sind froh, dass dies auch das Bundesinnenministerium erkannt hat.“

Den beiden Instituten sind zahlreiche deutsche olympische Medaillen zu verdanken: Das FES war an 21 von 27 gewonnenen Medaillen des Teams Deutschland bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking beteiligt.

Integration durch Sport

„Eine Zuwan­de­rung erfolgt weiter und nimmt zu, sodass die Sport­ver­eine bei Einspa­run­gen des Bundes­pro­gramms ‚Inte­gra­tion durch Sport‘ in ihrer erheb­li­chen Inte­gra­ti­ons­kraft und ihrer Funk­tion für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt geschwächt werden“, stel­len die Präsi­den­ten über­ein­stim­mend fest. „Wenn der Bund spart, müssen gege­be­nen­falls aber die Länder finan­zi­ell beisprin­gen, wie das in Bayern und Nord­rhein-West­fa­len bereits geschieht. Die Inte­gra­ti­ons­kraft des orga­ni­sier­ten Sports muss gestärkt, nicht geschwächt werden.“

Bundesfreiwilligendienste

Jedes Jahr absol­vie­ren ca. 83.000 junge Menschen einen Frei­wil­li­gen­dienst in Deutsch­land, und zwar rund 53.000 im Frei­wil­li­gen Sozia­len Jahr (FSJ), knapp 3.000 im Frei­wil­li­gen Ökolo­gi­schen Jahr (FÖJ) und circa 27.000 im Bundes­frei­wil­li­gen­dienst (BFD). Eine Kürzung der erfor­der­li­chen Mittel um insge­samt bis zu 78 Millio­nen Euro bei der Förde­rung der Frei­wil­li­gen­dienste senkt die Attrak­ti­vi­tät dieser Form des gesell­schaft­li­chen Enga­ge­ments insge­samt. Vor allem im Sport drohen sich solche Kürzun­gen der Mittel unmit­tel­bar bemerk­bar zu machen. Von den derzeit 4.000 Frei­wil­li­gen­diens­ten in den Sport­ver­ei­nen und ‑verbän­den könn­ten ab 2024 voraus­sicht­lich nur noch 3.000 finan­zi­ell geför­dert werden, bliebe es bei den derzei­ti­gen Plänen. Konkre­tes Beispiel: Der anhand der stei­gen­den Mitglie­der­zah­len zu beob­ach­tende Zuspruch für das Ange­bot vieler Sport­ver­eine nach der Pande­mie ist sehr erfreu­lich, stellt die Vereine aber vor allem vor perso­nelle Heraus­for­de­run­gen: Übungs­lei­ter und Trai­ner sind hände­rin­gend gesucht. Die Kürzun­gen würden die sowieso schon schwie­rige Suche erheb­lich erschwe­ren und dem Ehren­amt darüber hinaus gene­rell einen empfind­li­chen Schlag verset­zen. Für den Sport wäre daher viel­mehr eine Stär­kung und Weiter­ent­wick­lung der Frei­wil­li­gen­dienste ange­zeigt. Junge Menschen soll­ten attrak­ti­vere Bedin­gun­gen im Frei­wil­li­gen­dienst vorfin­den, wie zum Beispiel eine Erhö­hung des Taschengeldes.

Mit ihren Haus­halts­plä­nen verstößt die Ampel auch gegen ihren eige­nen Koali­ti­ons­ver­trag, in dem es auf S. 98 wört­lich heißt: „Die Plätze in den Frei­wil­li­gen­diens­ten werden wir nach­fra­ge­ge­recht ausbauen, das Taschen­geld erhö­hen und Teil­zeit­mög­lich­kei­ten verbessern.“

Entwicklungsplan Sport

Der Entwick­lungs­plan Sport sollte ursprüng­lich auch mit konkre­ten Maßnah­men hinter­legt werden. Die 87.000 Sport­ver­eine sollen dazu beitra­gen, die Bevöl­ke­rung zu einem akti­ve­ren und gesün­de­ren Lebens­stil zu bewe­gen. Seine Ausar­bei­tung befin­det sich derzeit in vollem Gange. „Ohne eine erfor­der­li­che finan­zi­elle Ausstat­tung können Maßnah­men jedoch erst gar nicht umge­setzt werden, obwohl ein gesün­de­rer Lebens­stil nicht nur den Menschen im Land guttut, sondern auch volks­wirt­schaft­lich ein erheb­li­cher Vorteil ist“, erklä­ren die Präsi­dien. „Wir fordern daher, bereits vorge­schla­gene konkrete Maßnah­men bedarfs­ge­recht finan­zi­ell zu unterfüttern.“

Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland

Sport­groß­ver­an­stal­tun­gen und insbe­son­dere Olym­pi­sche und Para­lym­pi­sche Spiele sind nicht nur der Höhe­punkt im Leben einer Sport­le­rin und eines Sport­lers, sie verdeut­li­chen auch die gesell­schafts­po­li­ti­sche Bedeu­tung des Sports, wie z.B. bei den Themen Nach­hal­tig­keit, Inklu­sion, Inte­gra­tion, Bildung und frei­wil­li­ges Enga­ge­ment. Dane­ben stär­ken sie Gesell-schaf­ten durch Zusam­men­halt und Austausch und werben für den Sport und dafür, selbst aktiv zu werden.

„Die Begeis­te­rung, die z. B. von den Euro­pean Cham­pi­on­ships in München im letz­ten Jahr, diesem groß­ar­ti­gen Sport- und Volks­fest, ausging, beweist, dass Sport­groß­ver­an­stal­tun­gen nach wie vor sehr attrak­tiv sind“, sagt der Präsi­dent des BLSV, Jörg Ammon.

„Die Finals 2023 Rhein-Ruhr, das Multi-Sport-Event in Düssel­dorf und Duis­burg, hat eben­falls gezeigt, dass Sport­groß­ver­an­stal­tun­gen begeis­tern und den vollen Rück­halt in der Bevöl­ke­rung genie­ßen können“, sagt auch Sport­bund-NRW-Präsi­dent, Stefan Klett.

Beide Sport­bünde spre­chen sich für eine Bewer­bung um Olym­pi­sche und Para­lym­pi­sche Spiele aus. Diese Bewer­bung müsse aller­dings in der Mitte der Bevöl­ke­rung veran­kert sein. Dabei begrü­ßen beide die Anstren­gun­gen insbe­son­dere des Deut­schen Olym­pi­schen Sport­bun­des, im Rahmen eines ergeb­nis­of­fe­nen, parti­zi­pa­ti­ven Stra­te­gie­pro­zes­ses im Dialog mit der Bevöl­ke­rung eine Grund­satz­ent­schei­dung über eine mögli­che Bewer­bung um Olym­pi­sche und Para­lym­pi­sche Spiele (Sommer oder Winter) in Deutsch­land herbei­zu­füh­ren. Zudem sei Voraus­set­zung eine maxi­male Nach­hal­tig­keit solcher Spiele durch möglichst voll­stän­dige Nutzung bestehen­der natio­nal und inter­na­tio­nal erprob­ter Sportstätten.

Die beiden Sport­bünde Nord­rhein-West­fa­len und Bayern verei­nen rund 10 Millio­nen Mitglied­schaf­ten in über 29.000 Vereinen.

Zusammenfassung

Alles in allem stel­len die Sport-Präsi­den­ten Klett aus Nord­rhein-West­fa­len und Ammon aus Bayern fest: „Die geplan­ten Spar­maß­nah­men der Bundes­re­gie­rung beim orga­ni­sier­ten Sport bedeu­ten Leis­tungs­ab­fall bei Gesund­heit, Gesell­schaft, Gemein­wohl, Zusam­men­halt, Ehren­amt und gefähr­den den orga­ni­sier­ten Sport in seiner Breite und Spitze! Sie müssen deswe­gen vom Tisch!“ (Sportplatzwelt, 09.10.2023)

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