Sporthallen: Ökobilanzierung und Standortwahl

Bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Sporthallenprojekten steht nicht nur die Ökobilanz der Baustoffe im Mittelpunkt. Auch die Standortwahl hat einen wesentlichen Einfluss auf die ökologische Nachhaltigkeit sollte deshalb entsprechend gleichrangig berücksichtigt werden.

Lange bevor Kommunen oder Vereine mit der konkreten Planung eines neues Sportstättenprojekts beginnen, müssen sich die Verantwortlichen ausgiebig mit der Suche nach einem geeigneten Standort beschäftigen – hierbei spielen allerdings nicht nur ökologische Aspekte eine wichtige Rolle und müssen häufig mit anderen Faktoren in Einklang gebracht werden. Bei der Betrachtung aller Umweltauswirkungen eines Bauprojekts über den gesamten Lebenszyklus hinweg sollte auch die Wahl eines geeigneten Standorts neben der Ökobilanz wesentlich in die Bemessung der Nachhaltigkeit eines Bauprojekts einfließen.

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Ökobilanz: Standard für nachhaltiges Bauen

Die Ökobilanz stellt ein normiertes und standardisiertes Berechnungssystem für nachhaltige Bauprojekte dar, das im Rahmen der Lebenszyklusanalyse (LCA) alle Elemente eines Bauprojekts auf ihren ökologischen Einfluss auf die Umwelt untersucht: Sowohl die Energie- und Ressourcenverbräuchen aller verwendeten Baumaterialien und -produkte von der Herstellung bis zu Entsorgung/Recycling als auch die Energie- und Ressourcenverbräuche, die im gesamten Nutzungszeitraum im Gebäudebetrieb anfallen. Die Primärenergie („Graue Energie“), der Wasser- und abiotische Ressourcenverbrauch, das Treibhausgaspotenzial und weitere Umweltauswirkungen wie Bodenversauerung, Ozonschichtabbau oder Smog-Bildung sind wesentliche Indikatoren zur Berechnung der Ökobilanz. Als normative Grundlage für die Ökobilanzierung fungieren in Deutschland allen voran die DIN EN ISO 14040 und die DIN EN ISO 14044. Des Weiteren gilt es in diesem Zusammenhang die DIN EN 15978, die sich vorrangig mit Berechnungsmethoden zur Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden befasst.

Alle Energie- und Ressourcenverbräuche werden im Rahmen der Ökobilanz in einem standardisierten Verfahren berechnet und analysiert und bieten so einen umfassenden Überblick über die (zu erwartenden) ökologischen Auswirkungen eines Bauprojekts über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes hinweg. Datenbanken wie die kostenfreie Datenbank für Bauprodukte und Dienstleistungen „ÖKOBAUDAT“ des Bundesbauministeriums und verifizierte EPDs (Environmental Product Declarations) vieler Hersteller liefern den Projektverantwortlichen detaillierte und verlässliche Daten zu den Energie- und Ressourcenverbräuchen verschiedener Bauprodukte und helfen bei der Aufstellung einer Ökobilanz. Bei der Berechnung des Energieverbrauchs im Betrieb helfen genormte Verfahren wie die EU-Energieverbrauchskennzeichnung.

Um zu ermitteln, ob die errechnete Ökobilanz optimierungsbedürftig ist, können die Ergebnisse mit den Anforderungen gängiger Zertifizierungssysteme (z. B. BREEAM, LEED, DGNB) oder Referenzprojekten aus anderen Kommunen abgeglichen werden.

Die ökologische, ökonomische und soziale Bewertung eines Standorts ist entscheidend für die Nachhaltigkeitsperformance einer Sporthalle.
Die ökologische, ökonomische und soziale Bewertung eines Standorts ist entscheidend für die Nachhaltigkeitsperformance einer Sporthalle. Bild: Stadionwelt

Nachhaltigkeit: Auch eine Frage des Standorts

Ein Punkt, der in der Ökobilanz eines Gebäudes zweitrangig und in den Zertifizierungs- und Bewertungssystemen vieler Prüfstellen gesondert behandelt wird, in der Praxis aber ein wesentliches Kriterium für die Nachhaltigkeit – sowohl aus ökologischer, als auch aus wirtschaftlicher und funktionaler Sicht – darstellt, ist die Wahl eines geeigneten Standorts.

Während die wirtschaftliche und funktionale Betrachtung eines geplanten Standorts im Sinne qualitativer Nachhaltigkeitsdimensionen gang und gäbe ist, werden ökologische Qualitätsmerkmale in der Praxis mitunter noch vernachlässigt – auch wenn die Umweltauswirkungen sowohl im globalen als auch im regionalen Kontext teils vehement sein können.

Die Nachhaltigkeit eines Sportstättenprojekts beginnt deshalb nicht erst bei der konkreten Planung des Baukörpers, sondern sollte schon in den ersten Planungsschritten mit einer genauen Analyse in Frage kommender Standorte einhergehen. Noch lange bevor die benötigten Baumaterialien überhaupt gefertigt wurden und der erste Ball in der neuen Sporthalle rollt, können die Projektverantwortlichen bereits mit der Wahl eines geeigneten Standorts einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeitsperformance des gesamten Projekts leisten.

Im Sinne der wirtschaftlichen und sozialen bzw. funktionalen Qualitätskriterien nachhaltigen Bauens sollten bei der Standortwahl neben der kostengünstigen Realisierung, einer geeigneten Einbettung ins städtebauliche Gesamtkonzept, die Einbindung in nachhaltige Mobilitäts- und Verkehrskonzepte, die gute und barrierefreie Erreichbarkeit durch die angestrebten Zielgruppen vor allem auch ökologische Aspekte eine übergeordnete Rolle bei der Wahl eines Standorts spielen. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) listet in einer entsprechenden Übersicht zahlreiche Kriterien für die Bewertung der Standortqualität – einige Beispiele sind in der nebenstehenden Tabelle gelistet.

Neben den örtlichen Gegebenheiten und der Anbindung an bestehende Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur sollte das Augenmerk zudem – deutlich stärker als es heute in der Praxis getan wird – daraufgelegt werden, einen Beitrag gegen die zunehmende Flächenversiegelung in Deutschland zu leisten. Einer Schätzung der Umweltökonomischen Gesamtrechnung aller Länder zufolge sind rund 45,1 % der Siedlungs- und Verkehrsflächen und rund 6,5 % der Gesamtfläche in Deutschland versiegelt. Auch wenn Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen in der Regel einen wesentlich geringeren Versiegelungsgrad aufweisen als beispielsweise Verkehrsflächen, gilt es auch hier, vor allem die Neuversiegelung von natürlichem Boden nach Möglichkeit zu vermeiden.

Um die aktuell um rund 25 Hektar pro Tag zunehmende Versiegelung von natürlichem Boden in Deutschland (eine Fläche von ca. 35 Fußballfeldern) langfristig einzudämmen, hat es sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die tägliche Neuversiegelung bis zum Jahr 2030 auf weniger als 30 Hektar pro Tag zu reduzieren und bis zum Jahr 2050 den Übergang zur „Flächenkreislaufwirtschaft“ zu meistern.

Nachhaltigkeit: Nicht nur eine Frage der technischen Ausstattung.
Nachhaltigkeit: Nicht nur eine Frage der technischen Ausstattung. Bild: Stadionwelt

Das Deutsche Institut für Urbanistik definiert die angestrebte Flächenkreislaufwirtschaft wie folgt: „Die Flächenkreislaufwirtschaft stellt ein System von Planung, Nutzung, Nutzungsaufgabe, Brachliegen und Wiedereinbringung durch eine dauerhafte Nutzung oder eine zeitlich befristete Zwischennutzung von Flächen dar.“ Konkret heißt das: Flächen sollen künftig nach dem Ansatz „vermeiden, verwerten, ausgleichen“ möglichst sparsam genutzt werden.

Die zunehmende Flächenversiegelung geht mit erhebliche Auswirkungen sowohl auf das regionale als auch das globale Klima einher: Regenwasser kann nicht mehr versickern, wodurch mit wesentlichen Qualitäts- und Quantitätseinbußen der örtlichen Grundwasservorräte zu rechnen ist. Die regionale Biodiversität nimmt aufgrund fehlender fruchtbarer Böden für Pflanzen deutlich ab, Lebensräume von Tieren werden eingeschränkt. Aus versiegelten Flächen kann kein Wasser verdunsten, vor allem im Sommer steigen die Temperaturen über großflächig versiegelten Böden merklich an. Versiegelte Flächen erhöhen das Risiko von verheerenden Überschwemmungen und Flutkatastrophen immens, da der Boden selbst kaum noch Wasser aufnehmen kann und künstlich geschaffene Überlaufbecken, Kanalisationen oder vergleichbare Entwässerungslösungen bei Starkregenereignissen schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Hinzu kommt, dass sich einmal versiegelte Flächen nur mit hohem Kosten- und Arbeitsaufwand renaturalisieren lassen. Ist der Boden einmal versiegelt, leidet die Bodenfauna und -fruchtbarkeit über die Jahre immens, im Renaturalisierungsprozess zurückgelassene Beton-, Asphalt- oder Kunststoffreste erschweren den Prozess der Renaturalisierung zusätzlich. Selbst wenn aufwendig und fachmännisch durchgeführt, ist die Renaturalisierung ein Prozess, der sich über Jahrzehnte ziehen kann – und selbst dann wird man am bearbeiteten Standort wohl nie wieder dieselbe Bodenqualität und -fruchtbarkeit erreichen wie vor der Versiegelung.

Entsprechend wichtig ist es, bereits bei der Standortwahl darauf zu achten, nach Möglichkeit auf bereits bebaute bzw. versiegelte Flächen zu setzen, anstatt die neue Sporthalle oder den neuen Sportplatz „auf die grüne Wiese“ zu bauen. Zusätzlich sollten nach Möglichkeit ökologische Ausgleichsflächen geschaffen werden, um die Regenwasserversickerung und Wasserverdunstung zu ermöglichen, die Biodiversität zu erhalten und Rückzugsorte für die örtliche Fauna zu schaffen.

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Titel: KOMPENDIUM NACHHALTIGKEIT
Veröffentlichungsdatum: April 2023
Autor: Stadionwelt / Sportplatzwelt
Sprache: Deutsch
Format: DIN A4
Umfang: 148 Seiten

(Sportplatzwelt, 19.05.2023)

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