„Das Wasser unter den Plätzen ist sauber“

Im Interview mit Sportplatzwelt spricht Dr. Harald Nonn, Vorsitzender der Deutschen Rasengesellschaft e.V. (DRG), über Rasenforschung sowie Erkenntnisse und Weiterentwicklungen, die das natürliche Spielfeld für die Zukunft rüsten können. Ökologische Nachhaltigkeit und Tauglichkeit unter schwierigen Voraussetzungen stehen dabei in einem Zusammenhang.

Dr. Harald Nonn
Dr. Harald Nonn Bild: Deutsche Rasengesellschaft e.V.
Sportplatzwelt: Wie haben sich die Voraussetzungen für die Rasenforschung in Deutschland entwickelt?
Dr. Nonn: Die entscheidende Neuerung war, dass mit maßgeblicher Unterstützung der DRG 2017 die Stiftungsprofessur Rasen an der Hochschule Osnabrück eingerichtet wurde. Damit kann endlich wieder auf professionellem Niveau wissenschaftliche Forschung betrieben werden. Es handelt sich um eine öffentliche Einrichtung, die von allen Seiten genutzt werden kann. Darüber hinaus ist es eine Stelle, um den Nachwuchs auszubilden. Auf diesem wissenschaftlichen Niveau wäre es darum nämlich sonst schlecht bestellt. Wobei wir natürlich mit den DEULAs in Freising und Kempen zwei wichtige Lehranstalten haben, um die Platzwart- und Greenkeeper-Ausbildungen zu sichern. Aber ohne die Aktivität der Hochschule würde zukünftig der wissenschaftliche Unterbau fehlen. Dieser ist sowohl für die Unternehmen im Rasenmarkt aber auch für die Fortbildung z. B. an den oben angegebenen Lehranstalten unbedingt erforderlich.

Sportplatzwelt: Welche Themen stehen im Fokus dieser wissenschaftlichen Forschung?
Dr. Nonn: Ein großes Augenmerk gilt dem Pflanzenschutz und der Krankheitsprophylaxe. Hier sind einerseits die chemischen Mittel zu nennen und andererseits Ansätze, Krankheitserregern beispielsweise mit Bestrahlung entgegenzutreten. Bei alledem versucht man das Ziel der Ressourcenschonung, vor allem im Hinblick auf Wasser, zu verfolgen. Gerade dieses Thema hat sich in den vergangenen Jahren aufgedrängt, in denen man sich zwangsläufig mit der Trockenheitstolerenz von Gräsern befassen musste. Das wird auch in den nächsten Jahren eine Rolle spielen und Thema an den Instituten sein. Darüber hinaus geht es auch um auftragsbezogene Forschung, die seitens der Industrie angestoßen wird, etwa zu den Themen Dünger, Saatgut und Mähtechnik.

Dieses Interview ist auch im neuen Kompendium Nachhaltigkeit erschienen, das ab sofort im Online-Shop erhältlich ist. Im neuen Grundlagenwerk erfahren Sie alles rund um den Themenkomplex Nachhaltigkeit – vom nachhaltigen Vereins- und Sportstättenmanagement bis hin zum klimaneutralen Bauen und Betreiben von Sporthallen, Sportplätzen, Eisanlagen & Co.

Sportplatzwelt: Neben dem handwerklichen Gerät halten immer mehr smarte Technologien Einzug in die professionelle Sportplatzpflege. Sollten auch kommunale Betreiber sich in diese Richtung orientieren?
Dr. Nonn: Die Technologien zur Steuerung von Beregnungsanlagen sind bekannt und in der Praxis gut anwendbar. Man sollte aber zugrunde legen, dass pro Anlage eine Messeinrichtung zur Ermittlung der erforderlichen Wassermenge und des richtigen Zeitpunktes nötig ist. Wenn in der Kommune die Anlagen kilometerweit auseinanderliegen, findet man dort jeweils unterschiedliche Gegebenheiten vor: Andere Spielfeld-Aufbauten, Pflege-Konzepte und weitere Punkte, die das Pflege-Management betreffen. Die hierfür relevanten Daten kann man sich mit einer kleinen Wetterstation beschaffen, die unter anderem den Temperaturverlauf und die Verdunstungsrate erfasst, sodass man einschätzen kann, wie die optimale Beregnung auszufallen hat.

Sehr interessant sind auch Kamera-Technologien, die zum Beispiel mit Echt- und Falschfarbenbildern darüber Aufschluss geben können, ob die Pflege in die richtige Richtung geht. Hier bieten sich Drohnen-Kameras oder, besser noch, fest installierte Systeme an, mit denen man seine Anlagen überwachen kann. Diese Anwendungen sind bislang noch im Wesentlichen im Profi-Sektor im Einsatz, aber das beginnt schon auf den Amateurbereich abzufärben, wo es durchaus eine Überlegung wert sein kann. So etwas ist heute erschwinglich. Bei Drohnenflügen mit Kameras muss man sich nur noch rechtlich absichern.

Sportplatzwelt: Welchen Eindruck haben Sie insgesamt vom Zustand der Spielfelder des deutschen Amateurfußballs? Können die Platzwarte ihre Aufgabe gut erfüllen?
Dr. Nonn: Ich sehe viele gute, meist normgerecht aufgebaute Plätze auch in kleineren Gemeinden. Oft engagiert sich hier ein Platzwart ehrenamtlich und der Rasen sieht dort so aus, dass man „Sie“ zu ihm sagen kann. In vielen Kommunen werden nun einmal Personaleinsparungen durchgeführt, und die Rasenpflege muss gegenüber vermeintlich wichtigeren Aufgaben zurücktreten. Ich kenne auch viele Verantwortliche, die einfach zu viele Aufgaben haben, um den Spielfeldern ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Aber da frage ich: Darf die Rasenpflege derart vernachlässigt werden, dass es zu Schäden kommt und die Nutzung eingeschränkt ist? So ein Fußballplatz hat Steuergelder gekostet, und es wäre sträflich, im Unterhalt nachlässig mit dieser Investition umzugehen. Das darf nicht sein.

Sportplatzwelt: Die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit treten immer stärker in den Mittelpunkt. Gibt es Konflikte zwischen Sportplatzpflege und diesen Themen?
Dr. Nonn: Jeglicher Funktionsrasen braucht die fachgerechten Pflegemaßnahmen in bestimmter Dosis und zum richtigen Zeitpunkt. Unterlässt man z. B. die erforderlichen Nährstoffgaben, wird der Rasen seinen Nutzen nicht mehr erfüllen können. Aber: Wir sind ja seit Jahrzehnten längst auf einem guten Weg. Mit Bodenproben, modernen Analyseverfahren und weiterentwickelter Ausbringungstechnik können wir die Nährstoffgaben genau bestimmen und darüber hinaus Stickstoffverluste vermeiden. Es ist insofern leeres Gerede, wenn Fußballplätze in diesem Zusammenhang in ein falsches Licht gerückt werden. Jeder Platzwart, der verantwortungsbewusst arbeitet, wird allein schon aus Kostengründen nicht mehr Mittel anwenden als nötig. Auch etwaige Vorwürfe bezüglich des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln gehen ins Leere. Die einsetzbaren Produkte sind speziell für diesen Anwendungsbereich geprüft und zugelassen. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Produktkosten erfolgt eine Anwendung sehr selten. Zudem muss jeder Anwender von Pflanzenschutzmitteln regelmäßig seine Sachkunde nachweisen.

Sportplatzwelt: Bitte erklären Sie den Zusammenhang von Nährstoffbedarf, Dünger, Pflanzenschutz und Umweltproblemen genauer.
Dr. Nonn: Wenn man einen Sportrasen betreibt, muss man auch dessen Nährstoffanspruch erfüllen. Die Regelungen für Wasserschutzgebiete unterscheiden sich nach Ländern. Wenn es jedenfalls im Grundwasser zu einer erhöhten Nitrat-Konzentration kommt, liegt das nicht an den Sportplätzen – die, und das ist belegt, verbrauchen den per Düngung verabreichten Stickstoff. Das Wasser unter den Plätzen ist sauber. Bei fachgerechter Verwendung von Langzeitdünger gibt es keine Nitratauswaschungen. Wenn man vor Ort Probleme hat, sind hierfür andere Eintragsquellen verantwortlich.

Die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln sind zu vernachlässigen, Herbizide sind ja auch kaum noch zugelassen. Man macht das im Grunde seit 20 Jahren schon eher mechanisch als biologisch.

Beim Dünger kann man auch natürliche Stickstoffquellen nutzen. Man kann Leguminosen, z. B. Lupinensamen, für die Herstellung organischmineralischer Dünger verwenden. Wie der Klee, lebt auch die Lupine in Symbiose mit Knöllchenbakterien, die den Luftstickstoff binden und sich und die Pflanze hiermit versorgen. Ein Teil dieses mit Sonnenenergie gebundenen Stickstoffs wird in den Samen gespeichert und kann z. B. als natürliche und somit nachhaltige Düngerkomponente genutzt werden.

Sportplatzwelt: Noch einmal zu den Rasenmischungen. Was halten Sie vom Klee?
Dr. Nonn: Mit Blick auf die notwendige Versorgung des Sportrasens mit Stickstoff kommt der natürlichen Stickstoffbindung durch Leguminosen eine besondere Bedeutung zu. Bereits seit vielen Jahren gibt es Mischungen aus Gräsern und speziellen Sorten des Weißklees – Trifolium repens –, die zukünftig eine Bedeutung auch im Sportrasen einnehmen könnten. In einer Symbiose mit Bakterien nimmt der Klee Stickstoff aus der Luft auf und sorgt im Boden für eine natürliche Stickstoffquelle, die auch von den Rasengräsern genutzt wird. Somit wird auf diesen Flächen keine zusätzliche Stickstoffdüngung benötigt. Für den Bolzplatz gibt es schon zufriedenstellende Versuche mit Klee und speziellen Rasensorten. Man kann also überlegen, ob man sich für eine solche Lösung entscheidet. Ich finde, man sollte solchen neuen Gedanken immer aufgeschlossen gegenüberstehen. Die Trockenheitstoleranz von Rasenmischungen ist, wie angesprochen, ein weiterer Gegenstand derzeitiger Forschung.

Sportplatzwelt: Die Wasserversorgung ist selbst in Deutschland kein Selbstläufer mehr. Wie blicken Sie auf dieses Thema? Sollte man z. B. mehr auf Regenwasser setzen?
Dr. Nonn: Wasser, vor allem Trinkwasser, ist eine immer knapper werdende Ressource. Zukünftig werden Sportflächen zunehmend oder auch ausschließlich mit anderen Wasserquellen versorgt werden müssen. Eine weitere Möglichkeit, Wasser zu sparen, liegt beim Sportrasen in der angesprochenen Verwendung trockenheitsverträglicher Gräser.

Es ist gut und schön, eine Zisterne zu haben. Aber wenn die leer ist, braucht man doch wieder Wasser vom Versorger. Man sollte sich mehr damit beschäftigen, wie man Grauwasser bzw. Brauchwasser auf dem Sportplatz verwenden und damit hochwertiges Trinkwasser sparen kann, das man hierfür nicht benötigt. Einige andere Länder machen das vor. Zum Beispiel in Spanien und Italien, generell in den heißeren Zonen, ist man beim Thema Beregnungsmanagement weiter und setzt mehr Brauchwasser ein. Nach einer Hygiene-Reinigung in einer Kläranlage steht es z. B. auch auf den Anlagen von Golfclubs zur Beregnung zur Verfügung.

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Titel: KOMPENDIUM NACHHALTIGKEIT
Veröffentlichungsdatum: April 2023
Autor: Stadionwelt / Sportplatzwelt
Sprache: Deutsch
Format: DIN A4
Umfang: 148 Seiten

(Sportplatzwelt, 14.04.2023)

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