Sporthallen als Notunterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine

Anfang März appellierte der DOSB, kommunale Sporthallen nicht primär als Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen. Das Thema sorgt in vielen Kommunen für Diskussionen, einige Kommunen haben jetzt erste Unterkünfte eingerichtet.

In einem offenen Brief vom 11. März appellierte der DOSB an die Städte, Gemeinden, Kommunen und Landkreise, möglichst auf die Ausweisung von Sportstätten als Flüchtlingsunterkünfte zugunsten geeigneter Einrichtungen zu verzichten. Die positiven Beispiele der Städte Köln und Düsseldorf hätten gezeigt, dass geflüchtete Menschen auch in gut ausgestatteten Alternativstandorten untergebracht und damit Schließungen von Sporthallen vermieden werden können. Sporthallen seien aus humanitären Gründen als mittel- oder langfristige Massenunterkünfte, wie die Erfahrungen aus der Flüchtlingsphase 2015 gezeigt hätten, weitgehend ungeeignet.

Ohne diese Sporträume – etwa 2/3 aller Sporthallen sind in kommunaler Trägerschaft – sei es den Vereinen vor Ort nicht möglich, angemessene Betreuungs- und Integrationsangebote auch für die hohe Zahl von Kindern und Jugendlichen, die nun nach Deutschland kommen, anzubieten. Da gerade im Sport auch Fähigkeiten zur Überwindung psychosozial belastender Erfahrungen und Situationen vermittelt werden, würden Unterstützungsmöglichkeiten für die Zufluchtsuchenden beschränkt, wenn erneut Sporthallen flächendeckend als Flüchtlingsunterkünfte ausgewiesen würden.

DOSB Vize-Präsidentin Kerstin Holze im Gespräch mit Deutschlandfunk: „Was aus meiner Sicht nicht die optimale Lösung ist, ist zu sagen, wir nehmen pauschal überall die Turnhalle.“ Kommunen sollten sich mit allen Beteiligten zusammensetzen und dann überlegen, „was die beste Entscheidung ist. Das kann im Einzelfall die Turnhalle sein. Das kann in einem anderen Fall aber eine ganz andere Lösung sein.“

So appellierte jüngst auch der Regionssportbund Hannover e.V. an die Kommunen im Zuständigkeitsgebiet, die Nutzung von Sportstätten als Flüchtlingsunterkunft nach Möglichkeit zu vermeiden. Ulf Medau, Vorsitzender Sportpolitik des Regionssportbund Hannover e.V.: „Der Sport hat durch die Pandemie erheblich gelitten. Wir sind froh und glücklich gewesen, dass nun der Sportbetrieb in unseren Vereinen wieder voll durchgestartet ist. Die Vereine haben derzeit mit der Akquirierung von Übungsleitenden und Vorstandsmitgliedern/Ehrenamtlichen alle Hände voll zu tun. Der Sport ist Integrationsfaktor Nr. 1 und dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Die Politik sollte aus den Fehlern der Vergangenheit (Flüchtlingskrise 2015) gelernt haben und die damals entwickelten Konzepte zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs wieder aktivieren. Die Wetterlage lässt es derzeit noch nicht zu, dass die Bewegungsprogramme der Vereine nach draußen verlegt werden können. Daher sollte unbedingt auf die Unterbringung von Flüchtlingen in Sporthallen verzichtet werden.“

Der Bayerische Landessportverband und der Hessische Landessportbund haben indes bereits Alternativen erarbeitet. So stellt der BLSV ab sofort seine vier Sportcamps in Inzell, Regen, Bischofsgrün und Spitzingsee als Notunterkunft zur Verfügung, um die Nutzung kommunaler Sporthallen nach Möglichkeit zu vermeiden. BLSV-Präsident Jörg Ammon: „Gerade in dieser Krisensituation zeigt sich ganz besonders, welch große integrative Kraft der organisierte Sport hat. In unserer starken Solidargemeinschaft wollen wir den Geflüchteten aus der Ukraine aktiv helfen, um ihnen in dieser humanitären Katastrophe beizustehen.“

In anderen Städten wurden indes entgegen des DOSB-Appells bereits erste Sporthallen zu Notunterkünften umfunktioniert . So wurden in Leverkusen bereits zwei Sporthallen mit Abdecksystemen und Schlafmöglichkeiten ausgestattet und sollen Platz für insgesamt 300 Geflüchtete bieten. Thorsten Morig, Geschäftsführer des Sportbund Leverkusen, gegenüber dem WDR: „Wir sind bestürzt und traurig und wollen natürlich helfen. Aber die Hallensituation in Leverkusen ist sowieso schon eine Katastrophe und viele Sportarten kann man einfach nicht draußen machen.“ Die Stadt Leverkusen entgegnet in einem gemeinsamen Statement des Oberbürgermeisters, Stadtdirektors und Sozialdezernats: „Sowohl der Vereins- als auch der Schulsport konnte in den letzten zwei Jahren pandemiebedingt nur eingeschränkt stattfinden. Das ist uns genauso bewusst wie die Tatsache, dass Sport und Vereinsleben mit Blick auf Gesundheit, Fitness und Zusammenhalt eine ausgesprochen wichtige Funktion haben.“ Man arbeite mit Hochdruck an Alternativen, um den organisierten Breitensport zu entlasten.

Auch in Münster wurde bereits die Dreifachsporthalle Hiltrup zu einer Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine umfunkioniert – zumindest vorerst. Krisenstabsleiter Wolfgang Heuer gegenüber der WN: „Da mit der schnell hergerichteten Dreifachhalle in Hiltrup jetzt weitere Kapazitäten für die sofortige Aufnahme von Geflüchteten zur Verfügung stehen, sind wir weiter aufnahmebereit, hierbei handelt es sich aber nur um eine Übergangslösung.“ In der Zwischenzeit sollen weitere Unterbringungslösungen geschaffen werden.

Und auch im Landkreis Leer wurde eine temporäre Notunterkunft in der größten städtischen Sporthalle in der Region eingerichtet. Dafür ausgewählt wurde die große Turnhalle der Berufsbildenden Schulen (BBS) in Leer. Sie hatte schon 2015 vorübergehend als Unterkunft bei der damaligen Fluchtbewegung gedient. An diesem Freitagabend wird das Technische Hilfswerk damit beginnen, die Halle so herzurichten, dass dort Flüchtlinge vorübergehend untergebracht werden können, um eine geordnete Verteilung in die Gemeinden zu koordinieren. Derzeit sollen dem Landkreis Leer nach Auskunft der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen pro Woche 48 Flüchtlinge zugewiesen werden. In der Halle soll zunächst Platz für mehr als 100 Menschen geschaffen werden.

„Wir haben uns dafür entschieden, zentral in der Kreisstadt eine größere Ankunftsstelle einzurichten“, sagt Landrat Matthias Groote. „Für den Fall, dass nicht gleich genügend Wohnungen zur Verfügung stehen, brauchen wir einen Platz, an dem die Geflüchteten zunächst Obdach finden.“  Die Halle soll durch Abtrennungen so hergerichtet werden, dass zumindest ein Mindestmaß an Privatsphäre ermöglicht wird.

Die Turnhalle steht damit bis auf Weiteres für den Schul- und den Vereinssport nicht mehr zur Verfügung. Der Vorsitzende des Kreissportbundes, Jörg Kromminga, zeigt Verständnis, dass in dieser Lage die Entscheidung so getroffen wurde: „Der Sport wird hier solidarisch sein, und wir müssen in einer solchen Ausnahmesituation zusammenhalten, ohne Wenn und Aber.“ (Sportplatzwelt, 25.03.2022)

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