„Der Schulsport lebt zurzeit auf Abruf“

Im Interview spricht Prof. Dr. Petra Wolters, Sportwissenschaftlerin an der Universität Vechta, über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Schulsport.

Prof. Dr. Petra Wolters
Prof. Dr. Petra Wolters Bild: Universität Vechta
Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Hygienemaßnahmen haben den Schulsport größtenteils ins Freie verlagert. Doch mit dem Herbst gehen kältere Temperaturen und meist auch regnerisches Wetter einher: Der Schulsport kehrt somit in die Hallen zurück. Über die Bedeutung dieses Fachs für den Schulalltag und dessen Herausforderungen für Lehrende und Schule spricht Prof. Dr. Petra Wolters von der Universität Vechta. Sie ist Professorin für Sportwissenschaft mit den Schwerpunkten Sportpädagogik und Sport und Gesellschaft.

 

Warum ist Schulsport so wichtig?

Sport ist das einzige Schulfach, das explizit und zentral den Körper und Bewegung zum Thema macht. Damit ist Schulsport gerade in heutigen Zeiten ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung. Durch das Erleben und Erfahren von Bewegung, Spiel und Sport am eigenen Leib sind andere Lernprozesse besser möglich, als in den kognitiv akzentuierten Fächern. Das scheinen auch Schüler*innen durchaus zu schätzen: Aus ihrer Sicht rangiert das Fach Sport in Umfragen immer ganz oben in der Beliebtheitsskala.

Auch Sportlehrkräfte schätzen an ihrem Beruf, dass sie in einen anderen Kontakt zu ihren Schüler*innen treten können als in Fächern, die vorwiegend im Klassenzimmer stattfinden. Sicherlich ist der breiten Öffentlichkeit ein ganz wichtiges Argument für Schulsport schon bekannt: nämlich das der Gesundheitsförderung. Trotz der besonders in Niedersachsen sehr begrenzten Unterrichtszeit von nur zwei Stunden pro Woche besteht das Ziel, Kinder und Jugendliche über einen gesunden, bewegungsaktiven Lebensstil aufzuklären und dafür modellhaft Beispiele zu liefern.

Auch wenn viele Heranwachsende auch außerhalb der Schule sportlich engagiert sind, so ist doch der Schulsport die einzige organisierte Form des Sporttreibens, der alle Kinder und Jugendlichen erreicht. Gerade für soziale Gruppen, die häufig nicht in Sportvereinen anzutreffen sind – die Organisationsrate ist zum Beispiel abhängig vom Bildungsgrad, der Sprache, die in der Familie gesprochen wird, und auch vom sozioökonomischen Kapitel – ist der Schulsport die einzige Chance, Erfahrungen im Sport zu machen.

So weiß man, dass Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sehr gerne das Angebot von Sport-Arbeitsgemeinschaften in der Schule wahrnehmen, während sie den Zugang zu Sportvereinen weniger finden. Neben dem Unterricht in Sport besteht eine weitere Aufgabe des Schulsports auch in einem Unterricht über Sport. Hierbei geht es darum, die gesellschaftliche Wirklichkeit des Fachs zu reflektieren.

Die Corona-Pandemie bringt für den Sportunterricht erhebliche Einschränkungen mit sich. Vor welchen Herausforderungen stehen Lehrkräfte derzeit?

Sportlehrkräfte müssen neben den vielen organisatorischen und sicherheitsrelevanten Aspekten, die Sportunterricht sowieso schon mit sich bringt, nun auch noch zusätzlich Hygienekonzepte im Kopf behalten. Die Abstandsregel zum Beispiel ist im Sport nicht einfach durchzusetzen, selbst wenn man bestimmte Sportarten auslässt. Gerade für jüngere Schüler*innen ist es sicherlich schwer, im Eifer des Sporttreibens immer wieder an solche Regeln zu denken.

Spiele und körperkontaktintensive Aktivitäten sind zurzeit nicht möglich, sodass die Sportlehrkräfte mit einem deutlich eingeschränkten Inhaltsspektrum zurechtkommen müssen. Hinzu kommt, dass der Schulsport zurzeit immer auf Abruf lebt: Bei kritischen Corona-Infektionsgeschehen müssen die sportlichen Aktivitäten zurückgefahren werden.

Im Schlimmsten Fall: (Wie) Funktioniert Sportunterricht im Homeschooling?

Sport ist von seinem Wesen her eine soziale Handlung. Das kann Homeschooling nicht ersetzen. Dennoch sind solche Sportarten wie Fitness oder Tanzen durchaus auch durch videogestützte Vermittlung zu unterrichten – wie auch schon vielfach im ersten Lockdown geschehen.

Hausaufgaben im Sport könnten für einfache Aktivitäten wie ausdauerndes Laufen, Seilspringen oder Dehnübungen gestellt werden. Wenn diese dann noch mit einem Lern- und Trainingstagebuch verknüpft werden, dann könnte das zumindest für einige Schüler*innen reizvoll sein. Aber auch hier gilt wieder: die ohnehin schon sportlich Engagierten werden davon mehr profitieren als diejenigen, die wenig Zugang zum Sport haben.

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