„Anstehendes Mikroplastikverbot war ein Beschleuniger“

Im Interview spricht Axel Piepers, seit April 2023 neuer Leiter des Geschäftsbereichs Sport der Stadt Wolfsburg, über seinen Amtsantritt und die anstehende Kunstrasen-Sanierungsoffensive der Stadt Wolfsburg.

Axel Piepers
Axel Piepers Bild: Stadt Wolfsburg
Sportplatzwelt: Seit April 2023 sind sie neuer Leiter des Geschäftsbereichs Sport der Stadt Wolfsburg. Was waren Ihre ersten Eindrücke, Aufgaben und Ziele?
Piepers: Gleich zu Beginn trafen uns im Freibadbereich der Fachkräftemangel und die immens hohen Energiekosten. Im Sportbereich nimmt der künftige Umgang mit den Kunstrasensanierungen einen Raum ein. Ansonsten verzeichnet die Stadt Wolfsburg Zuwächse an Baugebieten und von Schülerinnen und Schülern. Beides hat Auswirkungen auf die Sportentwicklungsplanung.

Sportplatzwelt: Was sind die derzeit größten Herausforderungen, mit denen sich der Geschäftsbereich Sport, die Stadt Wolfsburg und die Wolfsburger Sportvereine konfrontiert sehen?
Piepers: Die aktuell größte Herausforderung für die Stadt Wolfsburg und damit auch den Geschäftsbereich Sport ist die finanzielle Situation, sprich der städtische Haushalt. Die notwendigen Einsparungen treffen alle städtischen Bereiche und werden somit die Arbeit des Geschäftsbereichs Sport noch einmal erschweren. Für die Wolfsburger Sportvereine lässt sich feststellen, dass diese nach der Pandemie in einer an der Mitgliederzahl gemessenen Konsolidierungsphase sind und diese derzeit vorsichtig optimistisch stimmt. Wie auch in allen Bereichen des städtischen Handelns treiben die Vereine die Kostensteigerungen – sei es im Energiesektor, aber auch bei allen Anschaffungen oder Dienstleistungen – nach wie vor stark um.

Sportplatzwelt: Die Stadt Wolfsburg will ab 2025 alle 10,5 Kunstrasenplätze in Wolfsburg sanieren. Mit welchen Investitionssummen rechnen Sie und wie soll das Vorhaben trotz angespannter Haushaltslage finanziert werden? Wie wurde die Reihenfolge der zu sanierenden Plätze festgelegt?
Piepers: Wir rechnen mit einem Investitionsvolumen von mehr als 2,5 Mio. Euro. Alle Plätze wurden einer ausführlichen Untersuchung hinsichtlich des Zustands des Faserverschleißes und des Abrollverhaltens von Bällen einer Gesamtbeurteilung unterzogen. Hierbei sind auch Laboruntersuchungen zum Einsatz gekommen. Die anschließenden Handlungsempfehlungen basieren auf der Priorisierung aus technischer Sicht und aus auslastungsbezogener Beurteilung. Ersterem wurde aber aufgrund von ökologischen Gesichtspunkten wie dem Austrag von Mikroplastik in die Umwelt und dem sportfunktionalen Einfluss eine etwas höhere Gewichtung gegeben. Daraus hat sich dann eine Reihenfolge ergeben, die einen mehrjährigen Sanierungsplan mit ein bis zwei Plätzen pro Jahr vorsieht. Jedoch werden wir nicht vor 2025 damit beginnen können.

Sportplatzwelt: Ende 2020 erwähnte Ihr Vorgänger Reiner Brill im Interview mit Sportplatzwelt, dass die Kunstrasenplätze in Wolfsburg allesamt erst zwischen fünf und neun Jahren alt seien – also auch jetzt größtenteils noch nicht am Ende ihres Lebenszyklus. Welche Überlegungen führten zu der Entscheidung, die Plätze frühzeitig zu sanieren? Welche Rolle spielt dabei die seit 2018 währende Debatte um die Mikroplastikemissionen von granulatverfüllten Kunstrasenplätzen?
Piepers: Das Gros der Plätze wurde zwischen 2011 und 2015 gebaut. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 12 bis 15 Jahren haben die ersten Plätze bereits dieses Fenster erreicht. Die oben dargestellte Beurteilung der Plätze zeigt die Notwendigkeit, sich bereits jetzt mit der Sanierung auseinanderzusetzen, wenn wir die Plätze langfristig weiter im Einsatz haben möchten. Es zeigt außerdem, dass die vorher kalkulierten durchschnittlichen Lebenszyklen individuellern Situationen wie Nutzungsintensität, Lage der Plätze etc. unterliegen, die auch zur Verkürzung der Zyklen führen können. Das anstehende Mikroplastikverbot kann an dieser Stelle sicherlich als Beschleuniger gewertet werden, da innerhalb der zu erwartenden Karenzzeit definitiv auch im Hinblick auf die Art der Verfüllung eine Überarbeitung der Plätze erforderlich wird.

Sportplatzwelt: Ende 2020 erklärte Ihr Vorgänger, dass die Stadt „Pflegemaßnahmen intensiviert“ und „die Anlagen […] sukzessive mit zusätzlichen Gitterrosten zum Abstreifen des Granulats von Kleidung und Schuhen“ ausstatten wollte, um den Austrag von Mikroplastik zu verringern. Wurden diese Maßnahmen flächendeckend umgesetzt? Brachten sie nicht den gewünschten Erfolg, sodass man jetzt doch auf größer angelegte Sanierungsmaßnahmen setzt?
Piepers: Es sind alle Plätze entsprechend ausgerüstet worden. Die Maßnahmen haben den gewünschten Erfolg gebracht. Allerdings ist dies ja unabhängig davon zu betrachten, dass die Plätze insgesamt einer Sanierung bedürfen. Auch für andere, umweltverträgliche Lösungen wie Kork bedarf es beispielsweise Filtersysteme und Gitterroste, damit auch bei diesen Materialien der Austrag in die Umwelt möglichst geringgehalten wird.

Sportplatzwelt: Ihr Vorgänger erwähnte Ende 2020 in einem Interview mit Sportplatzwelt, die Stadt Wolfsburg wolle bei Sanierungen in Zukunft auf die dann entwickelten, umweltverträglichen Technologien zurückgreifen. Hat der Markt diese Lösungen ihrer Ansicht nach in den vergangenen Jahren hervorgebracht? Welche Kunstrasensysteme werden künftig in Wolfsburg überwiegend zum Einsatz kommen?
Piepers: Das ist tatsächlich ein interessantes und dynamisches Thema. Die unterschiedlichen Systeme, gerade auch im Hinblick auf die zu verfüllenden, umweltverträglichen Lösungen, haben derzeit noch Vor- und Nachteile. Der Austausch mit anderen Organisationen, die beispielsweise bereits Korklösungen verarbeitet haben, zeigt auf, dass diese Lösungen im Sportbetrieb selbst sehr gute Eigenschaften aufweisen. Schwierig ist aber die Pflege, da diese Stoffe oftmals nur im trockenen Zustand aufgearbeitet werden können, da sie bei Feuchtigkeit zum Verkleben neigen. Das genau einzusetzende Material ist daher noch in der Prüfung. An der Stelle müssen Lösungen sicherlich noch so weiterentwickelt werden, dass sie umweltverträglich und bezahlbar sind, eine sportliche Verwendbarkeit aufweisen und gleichsam auch gut zu pflegen sind.

Sportplatzwelt: Sind für die kommenden Jahre weitere infrastrukturelle Maßnahmen angedacht, um einerseits den Sanierungsstau an städtischen Sportstätten in Wolfsburg zu beheben und andererseits den Themenkomplex Nachhaltigkeit auch im Sportstättenbau und -betrieb voranzutreiben?
Piepers: Bei den Sanierungen befindet sich die Stadt Wolfsburg in einem fortschreitenden Prozess. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit hat die Stadt Wolfsburg Fakten geschaffen und ein Klimaschutz-Team ins Leben gerufen. Dieses kümmert sich schwerpunktmäßig zukünftig um die Nutzung erneuerbarer Energien, nachhaltige Verwaltung, Suffizienz – sprich ressourcensparendes Handeln und Energieberatung –, um nur einige Themenfelder zu nennen. (Sportplatzwelt, 19.09.2023)

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