„Sportanlagen haben ideale Voraussetzungen für PV-Anlagen“

Im Interview mit Sportplatzwelt spricht Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V., über Solartechnik und Photovoltaik (PV) für Sportstättenbetreiber. Ein Thema, das mit der Energiekrise noch stärker in den Fokus gerückt ist als zuvor, während die Prognosen ein weiterhin starkes Wachstum der Photovoltaik erwarten.

Carsten Körnig
Carsten Körnig Bild: BSW Solar e.V.
Sportplatzwelt: Welche Entwicklung hat Ihre Branche genommen seit 2022 klar wurde, dass wir in eine Energiekrise steuern?
Körnig: Der Wunsch nach Unabhängigkeit und einer sicheren Energieversorgung mit langfristig bezahlbarer Energie ist in der Bevölkerung infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nochmals sprunghaft gestiegen und die Nachfrage nach Solartechnik so hoch wie nie zuvor. Nach Angaben der Bundesnetzagentur (BNetzA) lag der Photovoltaik-Zubau im Jahr 2022 knapp 30 % über dem Vorjahr. Nach einer jüngsten YouGov-Umfrage im BSW-Auftrag liebäugeln vier von fünf privaten Immobilieneigentümern mit der Installation einer eigenen Solaranlage zur Strom- oder Wärmeerzeugung, ein Fünftel würde diese am liebsten bereits in diesem Jahr installieren.

Sportplatzwelt: In welchen Bereichen kann Solartechnologie Photovoltaik eine Lösung sein, nicht allein zur Überbrückung einer Krise, sondern dauerhaft?
Körnig: Neben dem positiven Klimaeffekt entstehen durch einen möglichst hohen Grad solarer Eigenversorgung aufgrund der inzwischen niedrigen solaren Erzeugungskosten bei gleichzeitig steigenden Strombezugskosten finanzielle Vorteile für Immobilienbesitzer und Gewerbebetriebe.
Solarstromanlagen können in vielen Bereichen des Alltags zur Stromerzeugung eingesetzt werden und Solarstrom auf nahezu allen sonnen beschienenen Flächen geerntet werden. So gibt es das klassische PV-Dach- oder Fassadensystem in allen Größenklassen, den Solarpark auf der Freifläche aber auch sogenannte Balkon- oder Steckersolar-Kleinstanlagen sowie hybride Anwendungsformen in der Landwirtschaft (Agri-PV), auf Gewässern (Floating-PV). Zunehmend wird der lokal erzeugte Solarstrom dabei nicht nur ins öffentliche Stromnetz eingespeist, sondern als Pumpenstrom für Wärmepumpen oder für das Landen von E-Fahrzeugen genutzt.

Sportplatzwelt: Was davon trifft besonders auf Sport- und Freizeitanlagen mit ihren spezifischen Profilen zu?
Körnig: Sport- und Freizeitanlagen benötigen viel Energie. Da sind die Stromfresser Flutlicht und die energieintensive Beheizung des Rasens, Anzeigetafeln, Lautsprecheranlagen, aber auch die Lüftung und Kühlung der Gebäude inklusive der Verwaltungsgebäude und Gaststätten sowie die Außenbeleuchtung der Sport- und Freizeitanlagen. Sportanlagen bieten in der Regel sehr große, schattenfreie Flächen und haben damit ideale Voraussetzungen für PV-Anlagen. Viele Bundesligavereine haben das bereits gemerkt und dahingehend gehandelt. Die Einsparungen und natürlich der Beitrag zum Klimaschutz machen PV-Anlagen interessant für alle Sport- und Freizeitanlagen.
Und welche Parameter sind für die Betreiber besonders relevant, wenn es um die Planung ihrer Anlage geht?
Eine PV-Anlage ist am effektivsten, wenn das Sonnenlicht möglichst viele Stunden im rechten Winkel auf die Solarzellen trifft. Dazu sind vor allem die Ausrichtung der Anlage – in Bezug zur Himmelsrichtung – sowie der Neigungswinkel der Solarmodule bei der Planung zu beachten.
Besonders die Ausrichtung der Anlage ist wichtig, da sie darüber entscheidet, wie PV-Module auf dem Dach genutzt werden können: idealerweise direkt nach Süden, oder aber aufgeständert nach Osten und Westen, wenn das Dach extrem flach ist. Der Ertrag pro Modul ist bei solchen Anlagen zwar etwas niedriger, da sie entweder nur vormittags oder nur nachmittags den idealen Neigungswinkel der Sonne haben, jedoch ist die Anzahl der Module auf der gleichen Fläche deutlich höher, sodass eine solche Anlage den Ertrag einer nach Süden ausgerichteten Anlage übersteigen kann. Zudem kann z. B. durch die Aufständerung die Kühlung besser gewährleistet werden und Montage und Wartung sind auf einem Flachdach leicht zu bewerkstelligen. Ebenso wichtig ist die Vermeidung von Verschattungen. Und nicht nur auf dem Dach können Solaranlagen installiert werden. Überdachte Parkplätze liefern nicht nur Schutz vor den Elementen, sondern können gleichzeitig als PV-Anlage fungieren.

Sportplatzwelt: Wenn man nun, Anfang 2023, den Einstieg sucht – wann kann man eine betriebsbereite PV-Anlage auf dem Dach haben? Wie steht es hierbei um Lieferengpässe und Preisentwicklungen? Kann man überhaupt eine zuverlässige Kalkulation aufstellen?
Körnig: Je nach Anlagengröße und Auslastung der jeweiligen Fachbetriebe dauert die Realisierung einer Photovoltaikanlage zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten bei kleinen Anlagen, bis hin zu mehr als einem Jahr und länger, wenn es sich um sehr große Anlagen handelt oder Gebäude- und Freiflächenanlagen größer 1.000 Kilowatt, die zur Inanspruchnahme der EEG-Förderung an einer Ausschreibung teilnehmen müssen. Bei Freiflächenanlagen sind außerdem Baugenehmigungen einzuholen, deren Dauer von den örtlichen Baubehörden abhängig ist.
Bei einzelnen Komponenten kann es derzeit infolge gestörter Lieferketten zu temporären Lieferengpässen kommen. Nach den pandemiebedingten Engpässen und der erhöhten Nachfrage aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zeichnet nun etwas Entspannung am Horizont ab. In einer Umfrage unter BSW-Mitgliedern zur Verfügbarkeit ausgewählter Produktgruppen im Markt bewerteten bereits im 4. Quartal 2022 mehr als jedes zweite Unternehmen die Verfügbarkeit von Solarmodulen inzwischen wieder als gut oder sehr gut. Auch die Verfügbarkeit von Unterkonstruktionen wird mehrheitlich als gut bzw. ausreichend bewertet. Unbefriedigend war die Situation zuletzt weiterhin bei Wechselrichtern und Solarstromspeichern.

Sportplatzwelt: In weiten Teilen war der Sommer 2022 extrem heiß und sonnig, aber das Wetter kann auch ganz anders sein. Welche Rolle spielen solche Schwankungen für die Wirtschaftlichkeit von PV und Solarthermie?
Körnig: Die Erträge von Solaranlagen sind im Mittel sehr gut kalkulierbar. Jahreserträge schwanken üblicherweise um weniger als plus oder minus 10 % gegenüber dem langjährigen Mittel. Die Erträge einzelner Monate variieren deutlich stärker, auf ertragsschwächere Monate folgen jedoch oft ertragsstärkere, wodurch sich die geringen Schwankungen der Jahressummen ergeben.

Der Bundesverband Solarwirtschaft e. V. hält das Ziel der Verdreifachung des Solar-Anteils für erreichbar – wenn die Politik die Weichen stellt.
Der Bundesverband Solarwirtschaft e. V. hält das Ziel der Verdreifachung des Solar-Anteils für erreichbar – wenn die Politik die Weichen stellt. Bild: BSW Solar e.V.

Sportplatzwelt: Welche Prognose haben Sie für die Netze und Märkte?
Körnig: 2022 wurde in Deutschland trotz der angespannten Lieferkettensituation rund 7,5 Gigawatt an neuer Photovoltaik-Kapazität installiert und damit rund 30 % mehr als im Vorjahr 2021. Ohne die temporären Lieferengpässe hätte das Wachstum noch etwas höher ausfallen können, vermuten wir und vielleicht 40 oder sogar 50 % betragen. Genaue Aussagen sind hier nicht möglich, da auch andere Bremsfaktoren den Solarmarkt leider weiterhin bestimmen, wie z. B. bürokratische Hemmnisse beim Netzanschluss oder der Genehmigung von Solarparks.
Die Photovoltaik trägt derzeit knapp 12 % zur Stromerzeugung unseres Landes bei. Nach den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung soll ihr Anteil in den kommenden 10 Jahren auf knapp 30 % anwachsen. Diese Ziele sind ehrgeizig, aber alternativlos und auch erreichbar, wenn die Bundesregierung jetzt den Solarbooster zündet und verbliebene Marktbarrieren schnell beseitigt.

Sportplatzwelt: Gibt es neue technische Entwicklungen? Konnte z. B. die Effizienz gesteigert werden oder gibt es Weiterentwicklungen bei den Speicherlösungen?
Körnig: Solarmodule sind heute so weit ausgereift, dass sie mit einem Wirkungsgrad von rund 20 % bezogen auf die Solarenergie-Einstrahlung inzwischen fast das Maximum dessen erreicht haben, was mit der industriell etablierten Technologie erreichbar ist. Weitere kontinuierliche Verbesserungen sind mit neuen Solarzellentechnologien zu erwarten, die von der Solarindustrie künftig in die Produktionsprozesse integriert werden. Die zweite wesentliche Anlagentechnik, die Wechselrichter sind mit Wirkungsgraden nahe 100 % bereits am Maximum angelangt. Auch Speicherbatterien und -Systeme sind ausgereift und werden seit fast zehn Jahren in der Photovoltaikbranche eingesetzt. Fast jede neue Solarstromanlage wird inzwischen gemeinsam mit einem Batteriespeicher installiert. Insgesamt nutzen bereits rund 600.000 Haushalte selbst erzeugten Solarstrom mit Hilfe von Batteriespeichern auch während der Dunkelheit.

Sportplatzwelt: Welchen Weg geht man als kommunaler Sportstätten-Betreiber? Wen stellt man sich als Berater und dann Partner für die technische Umsetzung zur Seite?
Körnig: Betreiber von Sportstätten in Deutschland, deren Dächer solartechnisch noch brachliegen und die über eine ausreichende statische Eignung verfügen, empfehle ich die Teilnahme an Solardach-Auktionen oder eine Prüfung, ob sie mit oder ohne Speichertechnik ausreichend hohe Eigenverbrauchsquoten erzielen können, um die Solaranlage rentabel betreiben zu können. Nicht zu vernachlässigen ist das positive Image durch den Beitrag zum Klimaschutz, dass die Betreiber von Sportstätten kommunizieren. Vielleicht bietet sich ja auch eine Gelegenheit, den einen oder anderen Sponsor zu begeistern, um die Rentabilität des Solarsystems noch weiter zu steigern und Vereinen eine regelmäßige Zusatzeinnahme zu gewährleisten. Auf die Planung und technische Realisierung großer Solarstromanlagen haben sich zahlreiche unserer Mitgliedsunternehmen spezialisiert, siehe www.solarwirtschaft.de. (Sportplatzwelt, 13.04.2023)

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