„Die beste Energie ist die, die ich nicht brauche“

Hans-Helmut Schaper ist als Geschäftsführer der Planungsgruppe VA (Hannover) Experte für die TGA-Gewerke in Sporthallen und deren energetischer Optimierung. Im Interview gibt Schaper einen Überblick zu zentralen Aspekten der Planung.

Hans-Helmut Schaper
Hans-Helmut Schaper Bild: Planungsgruppe VA GmbH
Sportplatzwelt: Die TGA-Fachplanung gehört wohl kaum zu den Teilen eines Projektes, an die ein Sportamt oder Verein denkt, wenn er seine neue Sportstätte vor Augen hat. Dennoch: Was sollte und muss man über dieses Thema wissen?
Schaper: Die TGA bildet in einer Sportstätte je nach Anforderung ca. 25 bis 40 % der Baukosten ab. Daher ist es wichtig, die technischen Anlagen in einer Sportstätte rechtzeitig zu definieren und dem Bauherrn transparent zu machen. Dabei müssen sowohl baurechtliche Vorgaben, wie z. B. eine Brandmeldeanlage, Fluchtwegbeleuchtungen usw. beachtet werden, als auch energetisch relevante Einrichtungen wie Lüftungsanlagen und die Beleuchtung der Sportstätte. Auch die Hygiene ist heutzutage ein wichtiger Aspekt. Auch Sportstätten müssen den Nutzern keimfreies Trinkwasser zum Duschen und Reinigen zur Verfügung stellen.

Sportplatzwelt: Ab welchem Punkt wird die Klimatechnik baurechtlich relevant, z. B. mit Blick auf Zuschauerkapazität und Luftzufuhr?
Schaper: Sobald die Sportstätte als Versammlungsstätte genutzt wird. Dies manifestiert sich in der Versammlungsstättenverordnung, die länderweise geregelt ist. Üblicherweise gelten als Versammlungsstätten Versammlungsräume, die einzeln mehr als 200 Besucherinnen und Besucher fassen oder mehrere Versammlungsräume, die insgesamt mehr als 200 Besucherinnen und Besucher fassen und einen gemeinsamen Rettungsweg haben. Diese Anforderungen kommen bei Sportstätten doch relativ häufig vor. Versammlungsräume mit mehr als 200 m² Fläche müssen mit mechanischen Lüftungsanlagen ausgestattet werden.

Sportplatzwelt: Gibt es heute ein Standardmodell für das Klima in der Sporthalle? Was hat sich aus Ihrer Sicht funktional und energetisch am besten bewährt?
Schaper: Ein Standardmodell gibt es nicht. Abhängig davon, ob die Sportstätte als Versammlungsstätte ausgeführt wird oder nicht, können unterschiedliche Konzepte zur Ausführung kommen. Da die Versammlungsstätte eine lüftungstechnische Anlage erforderlich macht, sollte die Bereitstellung von Frischluft und Wärme über die Lüftungsanlage erfolgen. Diese kann mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung ausgestattet werden, die nur einen sehr geringen Wärmeverlustüber den notwendigen Luftaustauch verursacht. Über Frequenzumformer kann die Luftmenge an den tatsächlichen aktuellen Bedarf der für die Nutzung erforderlich ist, angepasst werden. Allerdings sollte die Lüftungsanlage aus Gründen der Energieeffizienz in der thermischen Hülle der Sportstätte aufgestellt werden. Dies verursacht Baukosten für die Bereitstellung umbauten Raumes der nicht für die eigentliche Nutzung der Sportstätte errichtet werden muss. Des Weiteren verursacht die lüftungstechnische Anlage natürlich auch nicht unerhebliche Kosten.

Bei nicht als Versammlungsstätten ausgeführten Sportstätten kann auch ein Konzept der Frischluftbereitstellung über eine wirkungsvolle freie Querlüftung erfolgen. Die dazu notwendigen Öffnungen in den Fassaden sollten allerdings nicht von Hand bedient werden, sondern über die Abhängigkeiten von Luftqualität, Außentemperatur und Raumtemperatur energieoptimiert zentral aus der Gebäudeleitechnik angesteuert werden.

Sportplatzwelt: Die Wirkung der Hallenheizung ist für die Sportler spürbar – wie kann der spätere Nutzer die Konzeption mit beeinflussen?
Schaper: Die Wärmeeinbringung kann dann über Deckenstrahlplatten oder Bodenheizungen erfolgen. Vorteil letzterer ist eine niedertemperaturige Bereitstellung der Wärme, was die Transportverluste minimiert und den Einsatz von regenerativen Energien bevorteilt. Nachteil sind lange Reaktionszeiten bei veränderten Regelanforderungen die zu Überheizungen der Sportstätte führen kann. Deckenstrahlplatten sind reaktionsschneller und lassen durch die eingesetzte Strahlungsenergie geringe Raumtemperaturen zu ohne, dass es zum Unwohlsein der Nutzer kommt.

Es ist daher im Vorfeld mit Bauherr und Nutzer ein Anforderungsprofil der Sportstätte zu erstellen, das das für den Nutzungsfall optimierte Konzept ermöglicht.

Sportplatzwelt: Welche Zusammenhänge und Abhängigkeiten gibt es dabei mit dem gesamten Energiekonzept für das Objekt?
Schaper: Sportstätten sind im Allgemeinen sehr energieintensive Liegenschaften. Es ist daher wichtig, sich im Vorfeld mit den Beteiligten, wie dem Bauherrn, dem Architekten und dem Bauphysiker, intensiv abzustimmen. Dabei steht zunächst die Optimierung des Energiebedarfs im Vordergrund. Die kann sowohl über die thermische Hülle als auch die technischen Anlagen erfolgen. Dies sollte unter der Prämisse ,Die beste Energie ist die, die ich nicht brauche‘ erfolgen. Erst danach sollte über die Art der Energieversorgung und -bereitstellung nachgedacht werden. Regenerative Energiequellen sollten dabei aus Klimaschutzgründen im Vordergrund stehen.

Sportplatzwelt: Hängen Entscheidungen z. B. für Boden-, Deckenstrahlheizung oder Umluft von Flächen, Rauminhalt und Nutzung ab oder sind andere Aspekte ausschlaggebend?
Schaper: Entscheidungen über energierelevante Ausführungen der technischen Anlagen hängen sehr stark von der Nutzung der Sportstätte ab. Darüber hinaus spielt die Ausführung der Gebäudehülle noch eine wesentliche Rolle. Hochgedämmte Gebäude, wie z. B. solche nach Passivhausstandard, machen andere Konzepte erforderlich als eine Ausführung nach aktueller EnEV.

Sportplatzwelt: Welchen Beitrag kann die architektonische Planung leisten, damit eine Sporthalle möglichst energieeffizient wird?
Schaper: Da ist zunächst einmal die Ausrichtung des Gebäudes. Je nach Anforderung an die Sportstätte sollten transparente Flächen in der Gebäudehülle ausgerichtet werden. Dies betrifft im Winterfall den Energieaustrag und im Sommerfall den Energieeintrag. Bei Sporthallen können Tageslicht-Öffnungen im oberen Bereich der Hallenwände oder in der Dachfläche angeordnet werden. Beide Varianten ermöglichen einen ausreichenden Lichteinfall und Tageslichtnutzung. Weiterhin ist natürlich das A/V- Verhältnis für die Energieeffizienz einer Sportstätte wichtig. Das heißt, eine dem Volumen möglichst gering gehaltene thermische Außenfläche zuzuordnen.

Sportplatzwelt: Welches Einsparpotenzial hängt am „Faktor Mensch“ – und welche Weiterentwicklungen in der Gebäudeautomation sind relevant?
Schaper: Der Faktor Mensch und damit die Bedienung der Anlage spielt eine wesentliche Rolle bei dem Energieverbrauch. Energetisch gleich ausgestattete Sportstätten können im Betrieb zu völlig unterschiedlichen Energieverbräuchen führen. Die Gebäudeautomation kann einen wesentlichen Beitrag zur Energieoptimierung eines Gebäudes leisten. Allerdings ist auch hier der Mensch als Schnittstelle zum Automationsprozess gefordert. Optimierungen sind nur möglich, wenn Menschen sich mit den in der Gebäudeleittechnik programmierten Funktionen auseinandersetzen und diese ständig optimieren. Eine effizient ausgeführte Gebäudeleittechnik ist entsprechend gut visualisiert und stellt dem Nutzer die notwendige Datenbasis für Optimierungen übersichtlich zur Verfügung. Dazu stehen heute digitale Schnittstellen auf alle Medien wie PC, Laptop und Smartphone zur Verfügung. Die Datenbereitstellung und der Optimierungsvorgang werden für den Anwender daher unabhängig vom Standort.

Sportplatzwelt: Sind Gewährleistungsmanagement bzw. Wartung und auch Trinkwasserhygiene ohne sachverständigen Berater zu leisten?
Schaper: Je nach Art des Betreibers und Nutzers. Sportstätten in Großstädten haben im Allgemeinen entsprechend ausgebildetes Personal, das sich um die Vielzahl der Sportstätten ausreichend kümmern kann. In kleineren Kommunen ist das nicht der Fall. Dort wird der Einsatz von externen Beratern notwendig, um diese Leistungen umzusetzen.

Sportplatzwelt: Lohnen sich energetische Sanierungen von Bestandsbauten aus den 1960er/70er Jahren Ihrer Erfahrung nach?
Schaper: In der Praxis sind die Aufwendungen für die technische Ausstattung bei einer Sanierung und einer Neuerrichtung gleich hoch, da die technischen Anlagen in Bestandgebäuden aus dieser Zeit auf Grund des Verschleiß vollständig erneuert werden müssen. Vorteil eines Neubaus sind meistens in der bedarfsgerechten Anpassung der Kubatur und der Nutzung begründet. Ein bauphysikalischer Vorteil ist bei einem Neubau ebenfalls durch die Umsetzung von thermischen Maßnahmen auch an Stellen möglich ist, die bei Bestandsgebäuden nicht erreicht werden können. Zum Beispiel Dämmung unter der Bodenplatte.

Sportplatzwelt: Welche Besonderheiten gelten für Schwimmbäder und Eishallen?
Schaper: Schwimmbäder und Eishallen sind Gebäude die, bezogen auf die Grundfläche, einen sehr hohen Energiebedarf haben. Dies wird bestimmt durch ihre Nutzung. Freizeitbäder stellen nicht nur Wasserflächen für den Schwimmsport zur Verfügung, sondern auch für Wellness- und Spaßerlebnisse. Ganzjährig beheizte Außenbecken und Saunaanlagen sind kaum energetisch zu optimieren. Ähnliches gilt für die Eisbereitstellung von Eishallen.

Sportplatzwelt: Die meisten Kommunen sind kaum noch in der Lage, den Betrieb der Bäder und Eisstadien zu bezahlen. Gibt es Energiekonzepte und Anlagentechnik, die den Weg aus dieser Situation weisen?
Schaper: Das beginnt zunächst einmal damit, den Bedarf zu optimieren. Nicht jede Kommune braucht ein Spaßbad. Kommunen sind über die sogenannte Daseinsvorsorge daran gebunden, die Möglichkeiten für den Schwimmsport und das Schwimmenlernen bereitzustellen. Bedarfsangepasste Konzepte, die dies abbilden und mit einfachen Elementen für Familien ergänzt werden, können per se energetisch günstiger betrieben werden.

In vielen Schwimmbädern kommt heute die Kraft-Wärme-Kopplung zum Einsatz. Damit werden vor Ort sowohl Wärme als auch Strom produziert, die direkt im Bad verbraucht werden. Damit sind nicht unerhebliche Kostensenkungen sowohl auf der Wärmseite, als auch auf der Stromseite möglich. Für Bäder, die von Stadtwerken betrieben werden, ist dies sogar die Voraussetzung zum steuerlichen Querverbund, sodass Verluste des Badbetriebes mit Gewinnen aus dem Energieverkauf verrechnet werden dürfen.

Für Freizeitbäder sind zum Betrieb der energieintensiven Spaß- und Wellness-Attraktionen möglichst regenerative Energien einzusetzen. Damit werden nicht unbedingt Kosten, jedoch die CO 2-Belastung der Atmosphäre gesenkt.

Bei der Wasserbereitstellung kann bis zu 80 % kostbares Trinkwasser durch den Einsatz von Recyclingsystemen gespart werden. Dabei wird anfallendes Abwasser zur Wiederverwendung als Beckenwasser aufbereitet. Dabei werden auch Kosten für den vermiedenen Abwasseranfall gespart.

Betriebskosten von Eishallen können damit optimiert werden, dass die bei der Kälteerzeugung anfallende Abwärme genutzt wird. Diese kann zum Beispiel für die Beckenwassererwärmung eines Schwimmbades genutzt werden. Das macht allerdings die räumlich nahe Anordnung beider Liegenschaften erforderlich. (Sportplatzwelt, 26.08.2022)

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