Vereinsreport 2022: Infrastruktur deutscher Großsportvereine

Im ersten Teil des Vereinsreports 2022 wirft Sportplatzwelt einen Blick auf die Sportstätteninfrastruktur deutscher Großsportvereine und analysiert, inwieweit deren Zustand und Kapazitäten ausreichend sind.

Schätzungen des DOSB zufolge ist davon auszugehen, dass „mindestens zwei Drittel aller Sportstätten sich in kommunaler Verantwortung und über ein Viertel in Vereinsträgerschaft befindet.“ Kommunen sind somit weiterhin der größte Träger von Sportstätten in Deutschland. So wie den Vereinen die Aufgabe zuteil ist, Angebote zu schaffen, die der gesellschaftspolitischen und gesundheitlichen Bedeutung des Sports für die Gesamtbevölkerung Genüge tun, so sind es in diesem Zusammenhang überwiegend die Kommunen, die durch geeignete Investitionen dafür Sorge zu tragen haben, den Vereinen sowie ihren Bürgerinnen und Bürgern eine entsprechende ausreichende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Diese Zahlen decken sich auch mit den im Vereinsreport 2021 ermittelten Besitzverhältnissen der Großsportvereinen zur Verfügung stehenden Sportstätten: 60,25 % der im letzten Vereinsreport 2021 gaben an, bei der Ausübung ihrer Sportangebote auf kommunale Sportstätten zurückzugreifen. Demgegenüber stehen rund 39,75 %, die im vergangenen Jahr in vereinseigenen Sportstätten trainierten und Wettkämpfe abhielten. Diese Werte haben sich aufgrund meist langjähriger Pachtverhältnisse und der nur vereinzelt durchgeführten Neubaumaßnahmen vereinseigener Sportstätten als Ersatz einer gepachteten oder gemieteten kommunalen Sportstätte auch im neuen Vereinsreport 2022 nicht wesentlich geändert – zumal neugebaute kommunale Sportstätten oftmals auch als Ersatzneubau einer bestehenden kommunalen Anlage fungieren.

Sanierungsstau nach wie vor hoch

Dass in der deutschen Sportstättenlandschaft vor allem im Bereich des organisierten Breitensports ein besonders hohes Defizit an geeigneten Sportstäten besteht, ist kein Geheimnis. So berichten auch der DOSB, der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund in ihrer Kurzexpertise „Bundesweiter Sanierungsstau öffentlicher Sportstätten“ von einem erheblichen Sanierungsstau öffentlicher Sportstätten in Deutschland: „Studie und Analysen bestätigen seit einigen Jahren, was Bürgerinnen und Bürger täglich erleben und sehen: In Deutschland besteht ein großer Substanzverlust der öffentlichen Infrastruktur wie z.B. Straßen, Schul- und öffentliche Gebäude etc. Dieser Sanierungsbedarf erstreckt sich auch auf den Bereich der Sportstätten, der zwar regelmäßig in den entsprechenden Veröffentlichungen berücksichtigt wird, jedoch in der Berichterstattung und in den politischen Debatten sowie Entscheidungen häufig hinter andere Investitionsbereiche (insbesondere Verkehrsinfrastruktur, Breitbandanbindung etc.) zurückfällt.“

Aufgrund eines fehlenden, seit Jahren vom DOSB und anderen Verantwortlichen des organisierten Sports und Städtebaus geforderten, zentralen Sportstättenkatasters lässt sich der tatsächliche Sanierungsstau, mit dem sich Kommunen und Vereine in Deutschland konfrontiert sehen, nach wie vor nur schätzen. Laut dem „KfW-Kommunalpanel“ des DIFU und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) liege der „wahrgenommene Investitionsrückstand der Kommunen im Bereich Sportstätten und Bäder“ bei rund 8,3 Mrd. Euro – Schulsportstätten nicht eingerechnet. Der 2016 veröffentlichte Bäderatlas der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen geht indes von einem Sanierungsstau in Höhe von 4,5 Mrd. Euro in der deutschen Bäderlandschaft aus. Auf Basis dieser Studien geht der DOSB aktuell von einem Sanierungsstau von rund 21 Mrd. Euro für Anlagen in kommunaler Trägerschaft (inklusive Schulsportstätten) aus. Zuzüglich des Sanierungsbedarfs vereinseigener Anlagen beziffert der DOSB den Sanierungsstau in der deutschen Sportstättenlandschaft auf insgesamt rund 31 Mrd. Euro.

Dieser Sanierungsstau macht sich wie im Vorjahr auch im Vereinsreport 2022 weiterhin bemerkbar. Eine durchschnittliche Bewertung des Zustands der den Großsportvereinen zur Verfügung stehenden Sportstätten von 5,67 auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) zeugt – verglichen mit einer durchschnittlichen Bewertung von 5,26 im Vorjahresreport – nur von einer sehr geringfügigen Verbesserung.

Ähnliches gilt für die Kapazitäten der den Sportvereinen zur Verfügung stehenden Sportstätten: Die durchschnittliche Bewertung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten vorhandener Sportstätten ist mit 3,67 auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) nur marginal höher als im Vorjahresreport (Vereinsreport 2021: 3,26) und somit nicht signifikant. Überraschend hierbei ist, dass sich die Bewertung der zur Verfügung stehenden Sportstättenkapazitäten (zwar nur geringfügig) verbessert hat, obwohl parallel dazu die Zahl der aktiven Mannschaften, Abteilungen und angebotenen Sportarten im vergangenen Jahr ebenfalls geringfügig gestiegen ist. So bieten die befragten Großsportvereine im Schnitt 0,44 zusätzliche Sportarten an und verfügen über 0,18 neue Mannschaften sowie 0,19 neue Abteilungen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem Vereinsreport 2021 verfügen die befragten Vereine somit im Schnitt über 16,61 Abteilungen (Vereinsreport 2021: 16,42) mit durchschnittlich 28,70 Sportarten (Vereinsreport 2021: 28,26) sowie 91,02 Mannschaften (Vereinsreport 2021: 90,85).

Im Schnitt haben die befragten Vereine in den vergangenen 12 Monaten rund 228.000 Euro in den Erhalt und die Instandhaltung ihrer Sportstätten investiert. Zwar lag der Schnitt mit rund 1,3 Mio. Euro im Vorjahresreport um einiges höher – allerdings wurden hier auch einzelne Neubau- oder Großsanierungsprojekte mit einem Einzelinvestitionsvolumen von bis zu 10 Mio. Euro eingerechnet, die diesen Schnitt im vergangenen Jahr deutlich nach oben getrieben haben. Solche Großprojekte herausgerechnet, liegt der bereinigte Durchschnitt für die im Jahr 2021 getätigten Investitionen für Instandhaltung und Erhalt der Sportstätten mit rund 323.000 Euro auf einem vergleichbaren Niveau wie im aktuellen Report.

Wesentliche Kostensteigerungen haben die Vereine allerdings in Sachen Betriebskosten hinnehmen müssen. Wie der Vereinsreport 2022 zeigt, machen aktuelle Herausforderungen wie Baustoff- oder Energiekrise auch vorm organisierten Breitensport keinen Halt. Die Hälfte aller befragten Vereine (50,0 %) gab an, dass die Betriebskosten für die von ihnen genutzten Sportstätten in den vergangenen 12 Monaten „stark gestiegen“ seien. 42,9 % der im Vereinsreport 2022 befragten Vereine berichteten zumindest von geringfügigen Betriebskostensteigerungen. Lediglich rund 7,1 % der befragten Vereine gaben an, keine Steigerungen bei den Betriebskosten verzeichnet zu haben. Die Gründe für diese Betriebskostensteigerungen wurden eindeutig benannt und waren (in absteigender Reihenfolge nach Häufigkeit der Nennungen): Gestiegene Energiekosten, gestiegene Lohnkosten, gestiegene Kosten für Baumaterial sowie gestiegene Reinigungskosten. Letztere könnten unter Umständen noch mit den im Herbst 2021 geltenden Corona-Verordnungen zusammenhängen und dem größeren (auch finanziellen) Aufwand in puncto Hygiene, Reinigung und Oberflächendesinfektion. Zum Vergleich: Im Vereinsreport 2021 gaben die befragten Vereine an, im Schnitt rund 38.382 Euro in Hygienekonzepte und die damit verbundenen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen investiert zu haben.

Digitalisierung

Digitalisierungsmaßnahmen nehmen in deutschen Großsportvereinen weiterhin einen mittelstarken bis starken Stellenwert ein. Gegenüber einer durchschnittlichen Bewertung des Stellenwerts der Digitalisierung im Vereinsreport 2021 von 6,63 steht eine Bewertung von 6,67 im Vereinsreport 2022. Nichtsdestotrotz gaben 81,3 % der befragten Vereine im Vereinsreport 2022 an, in den vergangenen 12 Monaten neue digitale Anwendungen implementiert zu haben. Mit Abstand am häufigsten wurden hier digitale Buchungs- und Sportstättenverwaltungssysteme genannt, gefolgt von Softwarelösungen für das Vereinsmanagement und buchhalterische Aufgaben sowie Anwendungen für das Remote-Arbeiten.

Kursangebote und Freizeitsportanlagen

Im Zuge des sich wandelnden Sportverhaltens treten vor allem Großsportvereine vielerorts immer häufiger als Dienstleister denn als klassischer, organisierter Sportverein auf. Viele Vereine verfügen neben den tradierten Vereinsstrukturen, in denen sich Vereinsmitglieder jeden Alters in verschiedensten Sportarten trainieren und messen können, auch über niedrigschwellige Sportangebote für den selbstorganisierten Sport. Für die Nutzung dieser Angebote ist in der Folge häufig keine Vereinsmitgliedschaft nötig, in der Regel fallen für die Sportlerinnen und Sportler aber beispielsweise bei betreuten Angeboten Kursgebühren oder im Rahmen einer Vermietung zugangsbeschränkter Sportflächen eine Nutzungsgebühr an.

Nach eigener Auffassung der befragten Vereine nehmen solche Kursangebote sowie die Vermietung von Sportflächen an Nicht-Mitglieder im Vergleich zu den traditionellen Angeboten deutscher Großsportvereine noch einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein: Im Schnitt bewerteten die befragten Großsportvereine den Stellenwert ihrer Kursangebote und der Vermietung von Sportflächen an (Nicht-)Mitglieder im Vergleich zu klassischen, mitgliedschaftsgebundenen Angeboten auf einer Skala von 1 (sehr gering) bis 10 (sehr hoch) nur mit 4,93 – die Größe der Kommune, in der die Vereine aktiv sind, hat dabei nur einen geringen Einfluss (Vereine in Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern: 4,71; Vereine in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern: 5,12).

Bei den Einnahmen, die Sportvereine in den vergangenen 12 Monaten durch Kursangebote oder die Vermietung von Sportflächen an Nicht-Mitglieder erzielen konnten, lassen sich hingegen deutliche Unterschiede feststellen. Festzuhalten ist hierbei allerdings, dass die Höhe der jeweiligen Einnahmen selbstverständlich stark einerseits vom Umfang der auch für Nicht-Mitglieder zur Verfügung stehenden Angebote im jeweiligen Sportverein und andererseits auch von der Art der Angebote abhängig ist. So gaben Vereine in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern an, in den vergangenen 12 Monaten im Schnitt rund 162.500 Euro durch Kursangebote oder die Vermietung von Sportflächen an Nicht-Mitglieder erwirtschaftet zu haben. Großsportvereine in Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern haben im Vergleich in den letzten 12 Monaten durchschnittlich Einnahmen in Höhe von nur rund 48.000 Euro durch nicht ausschließlich mitgliedschaftsgebundene Sport- und Freizeitangebote erzielt. Hier wurden allerdings meist auch Einnahmen aus klassischen Indoor-Angeboten wie vereinseigenen Fitnessstudios sowie Reha- und Gesundheitssportangeboten miteingerechnet.

Abgesehen von den klassischen Indoor-Angeboten in Fitnessstudios und Gymnastikräumen haben viele der befragten Großsportvereine bereits auf die steigende Nachfrage nach selbstorganisierten Sportangeboten an der frischen Luft reagiert – allen voran Beachsport- und Outdoor-Fitness-Angebote. Beachsportanlagen werden in diesem Zusammenhang von rund 66,7 % der Vereine angeboten, Outdoor-Fitness landet mit 53,3 % auf dem zweiten Platz. Freilufthallen als besonders vielseitig verwendbare Sportstätte (beispielsweise auch für Kursangebote oder Vermietung) nehmen mit 16,3 % noch einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein. Mit rund zwei Dritteln (66,7 %) stellt die Mehrheit der befragten Sportvereine seine Freizeitanlagen, Trendsportangebote und Outdoor-Sportflächen für den selbstorganisierten Sport (meist gegen Gebühr) auch Nicht-Mitgliedern zur Verfügung.

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